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FRAUEN IM SINN

 

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Verlag Krug & Schadenberg

 

 

Literatur deutschsprachiger und internationaler

Autorinnen (zeitgenössische Romane, Kriminalromane,

historische Romane, Erzählungen)

 

Sachbücher und Ratgeber zu allen Themen

rund um das lesbische Leben

 

Bitte besuchen Sie uns: www.krugschadenberg.de.

Felice Newman

Sie liebt sie
Das Lesbensexbuch

Aktualisierte und erweiterte Neuausgabe

 

 

Aus dem amerikanischen Englisch von
Ekpenyong Ani, Anke Mai und Christine Mauch

K+S digital

Für Constance

Danksagung

Ein großes Dankeschön geht an meinen Expertinnenpool von über 450 Frauen (von denen nahezu die Hälfte für diese Ausgabe neu hinzugekommen sind), die auf meine Umfragen geantwortet haben und ohne die dieses Buch nicht entstanden wäre. Frauen aus den USA, Kanada, Panama, Großbritannien, Schweden, Finnland, Deutschland, Südafrika, Australien und Neuseeland haben mich großzügig an ihren Erfahrungen, Erkenntnissen und Sehnsüchten teilhaben lassen.

Ich hatte das Glück, von vielen Menschen und Organisationen Unterstützung zu erfahren – sie haben meine Fragen beantwortet, mir Bücher und Videos zur Verfügung gestellt, mein Forschungsprojekt publik gemacht und mir wiederum Einblick in ihre Forschungsprojekte gewährt; sie lasen Kapitelentwürfe und boten mir ihren Rat an: Paula Love, Patrick Califia, Jeanne Marrozzo von LesbianSTD.com, Heather Shaw und Christophe Pettus von Blowfish, Kayla Strassfeld von Good Vibrations, Cory Silverberg von Come as Your Are, Janet Hardy von Greenery Press, Betsy Kalin, John Jameson von The Advocate und Jenny Lever. Vielen Dank an Karen Quigg und Scott Idleman für die Gestaltung, an Fish für die Illustrationen und an Mark Rhynsburger für das Lektorat.

Ich danke auch Susie Bright, Annie Sprinkle, Joseph Kramer, Tristan Taormino, Carol Queen, Cathy Winks und Anne Semans, deren Arbeit mir den Weg gewiesen hat. Ich habe von großartigen LehrerInnen profitiert, darunter Richard Heckler, Mark Mooney und Staci Haines vom Strozzi Institute.

Ich danke meinen Kolleginnen Chris Fox und Diane Levinson bei Cleis Press – sie haben doppelt so hart gearbeitet, damit ich dieses Buch schreiben konnte. Frédérique Delacoste leitet Cleis Press gemeinsam mit mir seit über 25 Jahren. Ihre hohen Ansprüche als Verlegerin von queeren Büchern für intelligente LeserInnen haben den Verlag zu dem gemacht, was er heute ist. Ich bin froh, dass sie mein Buch betreut hat.

Meine tiefste Dankbarkeit gilt meiner Frau Constance Clare-Newman, der ich dieses Buch widme.

 

Vorwort zur Neuausgabe

Seit der Veröffentlichung von Sie liebt sie haben mir viele, viele Frauen geschrieben. Ich erhielt E-Mails von Novizinnen der sapphischen Künste (»Dank Sie liebt sie fühlte ich mich selbstsicher, als ich das erste Mal mit meiner allerersten Freundin schlief …«) und erfahrenen Lederdykes (»Hey, ich bin bestimmt schon zehn Jahre out und in der BDSM-Szene, aber für mich ist dein Buch immer noch ein nützliches Nachschlagewerk und zu einer Art ›Lesbenbibel‹ geworden.«) Mir wurden viele Geschichten von sexuellem Erwachen zugetragen (»Meine Partnerin hatte letztes Jahr ihr Coming-out – wunderschön und sehr talentiert – im Alter von 61 Jahren!«) und sexuellen Abenteuern (»Einmal sagte ich zu meiner Freundin, ich würde gerne mal einen Dreier ausprobieren. Das erzählte sie dann einer guten Freundin und eines Tages …«).

Alle Frauen, von denen ich hörte, freuten sich, einen Sexratgeber zu haben, der nur für uns geschrieben wurde und gespickt ist mit Informationen, Tipps und, wie eine Frau es formulierte, mit »Inspiration, Affirmation und Illumination.«

Die Frauen scheuten sich andererseits aber auch nicht, mehr zu verlangen – mehr Recherche, mehr Informationen, mehr Themen und noch mehr Unterstützung und Ermutigung in Bezug auf die sexuellen Wünsche, die sie und ihre Partnerinnen hegen.

Viele von ihnen beteiligten sich an meinen neuen Forschungsarbeiten. Im Januar 2004 veröffentlichte ich in verschiedenen Internet-Foren und -Diskussionslisten eine Mitteilung, in denen ich lesbische, bisexuelle und queere Frauen einlud, an einer neuen Umfrage zum Thema »Sex und Partnerschaft« teilzunehmen. Fast zweitausend Frauen forderten meinen detaillierten, umfassenden Fragebogen an.

Die aktuelle Forschung zum Themenbereich »Lesben und sexuelle Partnerschaft« konzentriert sich im Allgemeinen auf die Frage, wie oft wir Sex haben, welche Spielarten wir praktizieren und inwiefern persönliche »Probleme« wie traumatische Kindheitserlebnisse, sexuelle Gewalt und Homophobie in unseren Beziehungen als Erwachsene eine Rolle spielen.

Die vorliegende Ausgabe von Sie liebt sie bietet einen neuen Blick auf unsere sexuellen Partnerschaften. Wir wissen, dass wir Sex haben und wir wissen, dass die Liste unserer sexuellen Vorlieben so lang ist, dass sie auf kein Umfrageformular passt – dieses Buch liefert Beweise dafür. Und wir wissen, dass die Verletzungen, die uns zugefügt wurden und werden – einschließlich der alles durchdringenden Homophobie, mit der so viele von uns leben –, eine Herausforderung für unser Sexleben bedeuten. Wir brauchen keine Forschungszuschüsse, um das herauszufinden. Was wir aber wissen wollen, ist Folgendes: Wie können wir als lesbische, bisexuelle und queere Frauen sexuelle Beziehungen schaffen, die uns wirklich verzücken und beseelen, und wie können wir unsere sexuelle Energie und unser sexuelles Feuer über lange Zeit lebendig erhalten?

Die vorliegende überarbeitete Ausgabe geht nun auch auf diese Fragen ein – mit Informationen, Ratschlägen und praktischen Empfehlungen, die auf der Grundlage der Erfahrungen von mehr als 200 Frauen formuliert wurden, die meinen Fragebogen ausgefüllt haben. Ihr Engagement für sexuell erfüllende Partnerschaften war eine echte Quelle der Inspiration. Das Wichtigste ist: Du kannst phantastischen Sex haben. Du kannst beständige vertrauensvolle sexuelle Verbindungen haben, die sich im Laufe der Zeit weiterentwickeln und vertiefen – ganz gleich, ob du eine Partnerin hast oder mehrere.

Was ist neu in dieser Auflage? Neben dem komplett neuen Kapitel »Sex und Partnerschaft« ist noch einiges hinzugekommen. Du findest spezifische Informationen zum Thema Sexuelle Traumata – insbesondere zum Umgang mit Erinnerungsblitzen oder Triggern – sowie zu der Frage, wie Sex auch während einer Depression gelebt und wie den Nebenwirkungen von Antidepressiva begegnet werden kann. Hinzugekommen sind außerdem Informationen zu den Themen Wechseljahre, Tantra und Orgasmus, Kräuter und pflanzliche Ergänzungsmittel zur Förderung der Libido, sexuelle Partnerschaften in der Übergangsphase der Geschlechtsangleichung sowie zum Thema sexuelle Gesundheit (und insbesondere zur gynäkologischen Gesundheitsversorgung für Butches). Außerdem neue Sexspielzeuge, Internet-Pay-Pornos für uns, einige neue Illustrationen sowie ein komplett überarbeiteter Serviceteil mit aktuellen Angaben zu Büchern, Zeitschriften, Filmen, Adressen und Internetlinks.

Ich würde mich freuen, von meinen Leserinnen zu hören. Bitte schick mir eine Rückmeldung zu diesem Buch und deine Ideen für eine zukünftige Auflage an

WholeLesbian@felicenewman.com.

Auf wunderbaren Sex für uns alle und ein von erotischen Freuden erfülltes Leben.

 

Einleitung

Ich habe schon immer Frauen geliebt. Seit ich denken kann. Als ich klein war, habe ich für große Mädchen geschwärmt, und mein einziges Ziel hieß: auf ihren Schoß zu kommen und nie wieder runtermüssen.

Ich war wie ein Junge. Ich forderte die Jungs bei ihren Spielen heraus und widersetzte mich den Bemühungen meiner Familie, mich in ein weibliches Rollenmuster zu zwängen, das zwickte, mir die Luft zum Atmen nahm und einfach nicht passte. In der High-School schloss ich mich ein paar Jungs an und gierte den tollen Mädchen in meiner Klasse hinterher. Nichts wünschte ich mir mehr, als dass sie meinen Blick erwiderten.

Mein Begehren für Frauen ist schon immer eine treibende Kraft in meinem Leben gewesen. Ich konnte die winzigsten Aufmerksamkeiten genießen, ich bildete mir Komplizenschaft ein, »zufällige« Berührungen, die zu feurigen Küssen und schließlich zu Sex führten. Sex mit Frauen ist meine Leidenschaft. Ich habe mit vielen Frauen Sex gehabt, und das Glück ließ mich Liebhaberinnen begegnen, die mir ihr Begehren mit wildem Wagemut und voller Lust darboten.

Was macht mich zur Expertin?

Ich bin weder Sozialwissenschaftlerin noch Therapeutin und bin auch nicht im Gesundheitsbereich tätig. Ich bin eine Lesbe, die viele Jahre damit verbracht hat, sich in Sachen Sex weiterzubilden. Als Lektorin bei Cleis Press habe ich die Bücher einiger unserer beliebtesten »Sexpertinnen« mitentwickelt und betreut – von Susie Bright bis Annie Sprinkle. Ich habe mich bei der San Francisco Sex Information Hotline ausbilden lassen und dort ehrenamtlich mitgearbeitet. Deren Fortbildung über die menschliche Sexualität ist mit ihren 55 Stunden eine der umfassendsten zum Thema. Ich habe mit Menschen aus den verschiedensten Zusammenhängen über lesbischen Sex gesprochen: Mein Spektrum reicht von Fortbildungsveranstaltungen für LehrerInnen über Schülerinnen eines christlichen Colleges bis zu Studentinnen der Universität von Kalifornien in Berkeley.

Was aber macht mich zu einer lesbischen Sexpertin? Ich habe mich der erotischen Forschung verschrieben. Mein Sexleben ist für mich wie ein Thriller, der mit jedem Kapitel heißer wird. Ich bin total neugierig. Wem werde ich heute begegnen? Was wird als Nächstes geschehen? Ich suche Überfluss. Genuss satt. Unzählige Orgasmen. Sinnliche Augenblicke, überschäumend vor erotischer Energie. Ich glaube, wir alle haben so viel erotischen Genuss verdient, wie uns das Leben überhaupt nur bieten kann – und das ist mehr, als du und ich uns überhaupt vorstellen können.

Außerdem glaube ich, dass wir uns, was Sex betrifft, gegenseitig etwas beibringen können. Wer sonst sollte das wohl tun?

Niemand hat uns beigebracht, wie wir lesbisch oder bisexuell werden. Niemand hat uns über lesbischen Sex aufgeklärt. Niemand hat uns erklärt, wie wir uns mit einem anderen Mädchen verabreden. Oder wie wir unser sexuelles Interesse zeigen oder auf das einer anderen reagieren können.

Ich jedenfalls hätte gut ein paar Ratschläge gebrauchen können. Jahrelang war ich gar nicht glücklich mit meinem Sexleben, wusste aber nicht, wo ich ansetzen sollte oder was ich überhaupt wollte. Da ich mein sexuelles Empfinden gar nicht richtig kannte, wusste ich nicht, welche Art der Stimulation mich am glücklichsten macht. Stattdessen quälte mich der Gedanke, dass mir wahrscheinlich irgendeine lebenswichtige Zutat fehlte, ein geheimes Wissen, über das andere verfügten.

Jahre vergingen. Wie viele andere Frauen saß ich allerlei romantischen Märchen über Sex auf. Ich glaubte fest, es wäre an meiner Partnerin, mir Orgasmen »zu schenken« und herauszufinden, wie das bei mir am besten ginge. Ich erwartete, dass sie meine Wünsche erriet. Gleichzeitig glaubte ich, es sei meine »Schuld«, wenn ich sexuell nicht glücklich wurde.

Meine Orgasmen schmeckten wie Vorspeisen – ich war danach immer noch hungrig und ruhelos. Manchmal schien es eine Ewigkeit zu dauern, bis ich zum Orgasmus kam. Ich hatte das Gefühl, zu fordernd und egozentrisch zu sein. Niemand konnte mich befriedigen. Ganz tief in meinem Inneren glaubte ich nicht, dass ich sexuellen Genuss verdient hatte.

Wie so viele Frauen war ich nicht besonders gut darin, über Sex zu reden. Obwohl ich mir sicher bin, dass wir über Sex sprachen, habe ich meiner Partnerin nie von meinen Ängsten erzählt. Mich beim gemeinsamen Sex selbst anzufassen, einen Dildo oder einen Vibrator zu benutzen kam mir nicht in den Sinn. Meine jeweilige Beziehung bestimmte meine Sexualität. Stand meine Geliebte nicht auf Sexspielzeug, blieben die Toys in der Schublade. Meine Phantasien waren auch nicht besonders originell – worauf eine Feministin wie ich abfahren durfte und worauf nicht, war in meiner Vorstellung ziemlich festgelegt.

Ich hing fest.

Wie On Our Backs mein Leben veränderte

Eigentlich war es meine Arbeit bei Cleis Press, die das Eis zum Schmelzen brachte. Ende der 80er Jahre brachte Frédérique Delacoste SexArbeit – Frauen in der Sex-Industrie heraus. Das Buch rüttelte Feministinnen auf wenigstens zwei Kontinenten wach. Mich machte es nervös. Wenn Sexarbeiterinnen sich gegen eine jahrhundertealte gesellschaftliche Stigmatisierung auflehnen konnten, um ihre Sexualität selbst zu definieren – manche gingen sogar so weit zu behaupten, ihre Arbeit würde ihr Sexleben bereichern –, worauf zum Teufel wartete ich dann noch?

Den letzten Rest meiner Selbstverleugnung fegte dann Susie Bright, Redakteurin von On Our Backs, hinweg. Die Lesbenzeitschrift On Our Backs trat Mitte der 80er Jahre auf den Plan. Sie wandte sich an »sexuell abenteuerlustige Lesben«, und es war die erste Lesbenzeitschrift, in der Lesbensex offen dargestellt wurde.

On Our Backs war sofort in aller Munde. Viele von uns waren schockiert, dass Lesben – politisch unkorrekterweise – für den sexuellen Blick posierten. Andere distanzierten sich, indem sie den Stil der Texte oder die Aufmachung kritisierten. Viele Frauenbuchläden weigerten sich, On Our Backs zu verkaufen oder taten dies nur unterm Ladentisch.

Ich für meinen Teil starrte die Bilder dieser ersten Ausgaben an und las die Artikel wieder und wieder. Wie sehr wünschte ich mir, mich in meinem erotischen Leben ebenso stark und selbstbewusst zu fühlen. Doch ich wurde den Verdacht nicht los, dass das alles – wie bei Pornografie generell – völlig übertrieben dargestellt wäre. Keine Lesbe, die ich kannte, lebte so, obwohl ich mir insgeheim wünschte, dass es so wäre.

Doch als ich mit Susie Bright an ihrer Textsammlung Susie Sexperts Sexwelt für Lesben arbeitete, wurde mir schlagartig bewusst, dass das, was ich für unglaublich hielt, für sie nichts Besonderes war. In Susies Welt steckten Lesben sich ständig gegenseitig die ganze Faust in die Vagina (Fisten – ich hielt das anatomisch für unmöglich!), sie hatten Analverkehr, sie gingen zu lesbischen Stripshows und Sexpartys und sprühten überhaupt nur so vor erotischer Energie.

Meine Phantasie entzündete sich wie ein Feuerwerk. Genügsamkeit und Verzicht waren mit einem Schlag passé. Stattdessen kochte ich vor Unzufriedenheit.

Ich sah, wie alle auf der Überholspur an mir vorbeizogen – und war wütend! Wütend genug, um mein Leben einmal genau unter die Lupe zu nehmen und mich zu ein paar Veränderungen durchzuringen. Es war mir peinlich, und ich fühlte mich unsicher. Das Ganze war wie ein zweites Coming-out. Doch ich hatte das Glück, bei Freundinnen und Liebhaberinnen, die meine Leidenschaft für sexuelle Entfaltung und persönliches Wachstum teilten, Unterstützung zu finden. Sie redeten mir zu, auch mal ein Risiko einzugehen und beglückwünschten mich zu meinem Mut. Mit ihnen konnte ich die Gerüchteküche und das alberne Gekicher hinter mir lassen und endlich zur Sache kommen. Wie geht das? Wie war das? Wie kann ich das auch machen? Dank ihnen fand ich eine Sprache, meine Erfahrungen in Worte zu fassen.

Ich habe es keine Sekunde bereut. Heute fällt es mir leicht, über Sex zu reden. Ich kann meinen Liebhaberinnen sagen, was ich brauche und tue das auch. Ich habe ein reges Phantasieleben – manche Phantasien lebe ich aus, bei anderen ist es mir lieber, dass sie Phantasien bleiben. Ich weiß heute, welche Art Stimulation mich am meisten erregt. Ich habe die Verantwortung für mein sexuelles Leben übernommen.

Sie liebt sie – Das Lesbensexbuch

Ich habe Sie liebt sie geschrieben, damit du die Informationen und die Ermutigung findest, die dir helfen können, dir das Sexleben deiner Träume zu schaffen.

Gibt es denn nicht schon so viele Bücher über Sex? Ja, und jeden Tag kommen neue hinzu. Wahrscheinlich hast du in älteren Sexratgebern schon haarsträubende Abhandlungen zum Thema Lesbensex gelesen. Neuere Ratgeber sind in ihrer Darstellung von Lesbensex schon sehr viel besser geworden. Und dennoch haben wir unser eigenes Buch verdient.

Oft sind lesbische Sexratgeber etwas unklar, wenn es um die sexuellen Details geht. Die erste Ausgabe von Sapphistrie (heute: Wie Frauen es tun), unbestreitbar der lesbische Klassiker, erschien 1979 und ist heute einfach überholt. Andere Ratgeber konzentrieren sich auf Paare oder psychologische Fragen, oder sie zieren zwar deinen Nachttisch, bieten dir inhaltlich aber eigentlich nichts Neues.

Mit Sie liebt sie hast du eine umfassende, nicht wertende Ratgeberin zu lesbischer Sexualität in der Hand – ein Buch, das dir weder vorschreibt, wer du zu sein noch was du zu denken hast. Du findest darin detaillierte Anleitungen zu sexuellen Techniken, Informationen zum Verständnis deiner sexuellen Reaktionen, Wege zu G-Flächen-Orgasmen, multiplen Orgasmen und verlängerten Orgasmen – und noch viel, viel mehr.

Die erste Ausgabe von Sie liebt sie basierte auf einer von mir 1999 entwickelten Fragebogenserie zu lesbischer Sexualität. Die Fragen waren sehr konkret, äußerst persönlich und so angelegt, dass ihr Schwerpunkt eher auf der Qualität als auf der Quantität der Antworten lag. Viele der Antworten, die ich bekam, waren offen und unverblümt. Neben einem ausführlichen allgemeinen Fragebogen hatte ich Abschnitte entworfen, die sich speziell an Lesben und bisexuelle Frauen richteten, die eine Krebserkrankung überlebt oder sexuell übertragbare Virusinfektionen wie Herpes, HPV, Hepatitis und HIV hatten. Die Fragebögen wurden über die Website von Cleis Press und Mailinglisten im Internet veröffentlicht und in lesbischwulen Medien international verbreitet. 250 Teilnehmerinnen aus vielen Ländern sandten mir über 300 Antworten (manche füllten mehr als einen Fragebogen aus).

Manche Frauen schrieben mehrere Seiten zu einer Frage. Andere berichteten, sie hätten mehrere Stunden für ihre Antworten gebraucht. Es gab auch Kritik am Fragebogen, und in manchen Fällen überarbeitete ich meine Fragen aufgrund der Anregungen. Die Offenheit und die Energie, mit der Frauen in dieses Projekt einstiegen, waren bemerkenswert. Ihre Antworten könnten Bände füllen. Ich zitiere sie im gesamten Buch, habe sie jedoch anonymisiert.

Auf lesbischen Sex! Mögen all deine Sehnsüchte wahr werden.

 

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Kapitel 1

Willkommen

Wir Lesben lieben Sex. Wir haben Sex mit langjährigen Geliebten, mit Flirts, mit Exen, neuen Geliebten, Fick-Freundinnen oder Play-Mates und einem ganzen Kreis von Gespielinnen. Wir treiben es mit uns selbst. Wir haben Sex, der unsere Seele offenbart, Sex, der Herzen schmelzen lässt. Wir verbringen sinnliche Nachmittage mit Sex und überfluten das Bett. Wir haben lauten schweißgebadeten Sex, der die Wände wackeln lässt und die Nachbarinnen weckt. Wir haben kreischenden Sex und kommen wieder und wieder. Wir haben Sex, der an die Grenzen geht. Wir haben Sex.

Manche von uns haben Sex quer über das Spektrum der Geschlechter. Manche von uns sind durch und durch queer und haben Sex mit Männern, die als biologische Männer geboren wurden, mit transsexuellen Männern und Frauen, mit Transgender, mit Prä-Operativen, Post-Operativen, Nicht-Operativen, mit Intersexuellen, Bisexuellen, Pansexuellen – wir ficken jenseits der Geschlechtergrenzen und darüber hinaus.

So lange es die Menschheit gibt, haben Frauen Sex miteinander. Wir haben uns in jeder Kultur und jeder Epoche geliebt und begehrt. Und obwohl wir Frauen schon seit biblischen Zeiten immer zwischen den Zeilen lesen mussten – »Wo du hingehst, da will auch ich hingehen …« –, um uns in der Geschichte zu entdecken, genießen wir bis heute die Freuden der Sexualität mit Frauen.

Vielleicht hat man versucht dir einzureden, wir Lesben hätten keinen Sex (wir wären nur zärtlich miteinander) oder zumindest keinen »echten« (da zwei Frauen eben nicht »alles« tun können – wenn es »zum Letzten kommt«) [1]. Vielleicht hast du gelesen, Frauen würden lieber kuscheln als vögeln oder lesbische Paare litten zwangsläufig am »lesbischen Bettentod«. (Steht mal wieder ein Besuch bei einem schwedischen Möbelhaus an?)

Umgekehrt ist dir vielleicht zu Ohren gekommen, dass wir Lesben die eigentlichen Sexpertinnen sind. Wir hüten das sapphische Geheimnis, das durch jahrhundertelange Erfahrung verfeinert und von der Mentorin an die Novizin weitergereicht wird. Wusstest du, dass ganze Kapitel zur lesbischen Erotik aus dem ursprünglichen Kama Sutra entfernt wurden? Wenn wir so viel über weibliche Erregung und Befriedigung wissen, müssen Männer uns aus der Geschichte ausradieren. Seit frau die Klitoris entdeckte, wurde lesbischer Sex beneidet, geächtet, verborgen, kaschiert, verherrlicht, verschwiegen, für pathologisch erklärt und zwanghaft untersucht. Doch wir Frauen hören nicht auf, einander zu begehren.

Es gibt so viele Arten, lesbischen Sex zu haben, wie es Lesben gibt und bisexuelle Frauen, queere Frauen und Frauen, die ihr Leben lang Sexualität mit Frauen leben, ohne ihrem Begehren je einen Namen zu geben. Nimm dieses Buch als einen Quell von Informationen, Vorschlägen, Tipps und Techniken. Entdecke die Sexualität, die für dich optimal ist.

Es geht um Sex zwischen Frauen: Ob du dich als Lesbe oder Bisexuelle oder als queer definierst, ob als Butch, Femme oder androgyn, ob du dein biologisches Geschlecht behalten hast oder transsexuell bist – und selbst wenn du gerade erst in Erwägung ziehst, dass du eine andere Frau sexuell begehren könntest: Dieses Buch ist für dich.

 

Wenn du kommst

lege ich

neue Kissen für dich

zum Ruhen aus.

 

Ich war so glücklich

glaube mir, ich

betete, die Nacht

möge für uns

doppelt so lang sein

 

Wir werden es genießen.

Was ihn betrifft, der

sich beklagt, möge er von Schwachsinn

und Trauer heimgesucht werden!

 

Sappho

Kapitel 2

Begehren und Phantasien

Phantasien sind wie Träume oder Mythen eine Form, in der wir mit uns selbst über unsere tiefsten Wahrheiten sprechen.

Dossie Easton [1]

Was wollen wir als Lesben, bisexuelle und queere Frauen von unseren Geliebten? Alles, was du dir vorstellen kannst – und mehr! Wir wollen die Fülle des Geschlechts einer Frau in unseren Händen, im Mund und zwischen unseren Beinen spüren. Wir wollen den Duft ihrer Erregung riechen und unsere eigenen Säfte von ihren Fingern saugen. Wir wollen ihre Brüste spüren und ihre Nippel schmecken.

Wir wollen reichliche, üppige, hinwegfegende Lustmomente. Wir hegen Träume, die wir nie in die Tat umsetzen würden, und Träume, die wir uns am liebsten sofort erfüllen möchten: der hungrige Blick einer fremden Frau, das Staunen einer Geliebten, die im Orgasmus entblößt ist, Körper, die dem eigenen ähneln oder ganz anders sind, entdecken, verwandeln, enthüllen, Bedürfnisse, die sich der Gewalt beugen, und Bedürfnisse, die sich Bedürfnissen beugen. Eine unerwartete Berührung, ein flüchtiger Blick auf lichtbeschienene Haut, Feuchtigkeit, die nach Sex schmeckt – und wir vergehen in der Erinnerung.

Wie sieht dein sexuelles Begehren aus? Willst du heute noch dasselbe wie vor zehn Jahren? Vor einem Jahr? Letzte Woche? Was dich mit 12 angemacht hat, mag dir mit 16 ziemlich albern erschienen sein, und was du mit 16 mochtest, mag heute kaum mehr als nostalgische Gefühle in dir wecken. Also warum annehmen, dass das, was dich jetzt heiß macht, dir für den Rest deines aktiven Sexlebens genügen sollte?

Welche Wünsche gestattest du dir? Ist es okay für dich als Lesbe, dir Sex mit einem Mann vorzustellen? Dir Sex als Mann vorzustellen? Ist es okay für dich, die du sexuelle Gewalt überlebt hast, dich zu Vergewaltigungsphantasien selbst zu befriedigen? Ist es für dich als Inzest-Überlebende in Ordnung, dir Sex mit Geschwistern vorzustellen? Betrügst du deine Partnerin, wenn du Phantasien mit anderen hast? Mit ihrer besten Freundin zum Beispiel?

Lust lässt sich nicht festnageln. Was dich wirklich scharf macht, hat möglicherweise sehr wenig mit dem zu tun, was du behauptest zu wollen. Oder was du denkst, dass du wollen solltest. Vielleicht ist dir ja gar nicht klar, warum eine bestimmte Inszenierung deinen Puls höher schlagen lässt. Du brauchst deine Sehnsüchte weder zu verstehen noch zu billigen. Du kannst dich zwar in Sachen Theorie auf dem neusten Stand der Massenmedien halten, aber wahrscheinlich wirst du nie wirklich wissen, warum du Frauen, Männer oder beide begehrst.

Dein Begehren gehört allein dir. Du hast deine dir eigene Konstellation an Phantasien, Bedürfnissen, Scharfmachern sowie deine dir eigene Geschichte sexueller Anziehung und Erfahrungen. Dein Begehren legt offen, wer du bist, wo du herkommst, was dir wichtig ist, wonach du dich sehnst und wovor du dich fürchtest. Du wirst nichts davon haben, wenn du versuchst, dein Begehren so umzuformen, dass es dem der anderen gleicht. Das ist der beste Weg, um deine Lust vollständig zu verlieren. Der Schlüssel zu einer Sexualität, die dich herausfordert und dir Lust bringt, liegt darin, jeden verrückten Dreh und jeden Winkel deiner erotischen Phantasie gutzuheißen.

 

Die innere Stimme des Eros ist willkürlich, bizarr, verdammt ehrlich, reich und so mächtig, dass sie grausam sein kann.
Es erfordert Mut, ihre Forderungen zu hören und ihnen zu folgen.

Patrick Califia

Bist du Fetischistin?

Machen dich Zehn-Zentimeter-Absätze an? Was ist mit glänzend schwarz polierten Kampfstiefeln? Bringt ein exquisites viktorianisches Korsett deinen Puls zum Rasen? Vielleicht machen dich ja auch Leder, Spitze, Latex, Gummi oder Pelz heiß?

Fetischobjekte sind Gegenstände, Körperteile oder Handlungen, die mit einer sexuellen Bedeutung aufgeladen werden. Was als Fetisch dienen kann, ist Ansichtssache. Nach Sigmund Freud hat ein Fetisch zwar etwas mit dem Objekt der Begierde zu tun, ist aber gänzlich ungeeignet, dem normalen sexuellen Ziel zu dienen – womit Freud heterosexuellen Fortpflanzungssex meinte. [2] Gehen wir nach dieser Definition, sind wir Lesben und bisexuellen Frauen allesamt Fetischistinnen, da unsere erotischen Praktiken nichts mit Freuds »normalem sexuellen Ziel« zu tun haben.

Was Sigmund Freud Fetischismus nannte, mag für dich der Dreh- und Angelpunkt deines derzeitigen erotischen Lebens sein; was dir heute exotisch vorkommt, mag für jemand anderen zur sexuellen Routine gehören. Viele Leute finden ungewöhnliche sexuelle Aktivitäten »pervers« oder fetischistisch, nur weil sie ihnen nicht vertraut sind. (Umgekehrt macht sich Pat Califia darüber lustig, dass viele tatsächlich fetischistischen Verhaltensweisen als normal durchgehen, weil sie so weit verbreitet sind, dass es niemandem mehr auffällt. Denken wir nur an die vielen Männer, die auf große Brüste stehen. [3])

Ursprünglich war ein Fetisch ein Gegenstand, dem magische Kräfte zugeschrieben wurden – zum Beispiel eine kleine geschnitzte Tierfigur, die ihre Besitzerin heilen oder beschützen sollte. Ein Fetischgegenstand wurde mit Ehrfurcht betrachtet, als Verkörperung eines mächtigen Geistes. So kann ein anschnallbarer Dildo ein Fetisch sein, im klassischen Sinne eines Gegenstands, dem sexuelles Verlangen und erotische Macht zugeschrieben werden. Allerdings würden viele Butches und Frau-zu-Mann-Transsexuelle dem widersprechen, denn für sie ist das Tragen eines anschnallbaren Dildos Ausdruck ihrer tiefverwurzelten Geschlechtsidentität.

Fetische können sich auf rituelle Weise aus bestimmten Notwendigkeiten wie Safer-Sex-Praktiken entwickeln. Streif dir in gewissen lesbischen Kreisen einen Latexhandschuh über und schon drehen sich die Köpfe. Kleidung, die nur für den erotischen Gebrauch eingesetzt wird, betrachtet man als fetischistisch. Oft ist Fetisch-Kleidung zu gewagt, um sie auf der Straße zu tragen, zum Beispiel ein Catsuit mit einer Aussparung im Genitalbereich. Aber das gilt nicht immer – manchmal entsteht die Erotik aus dem Zusammenhang. Ein Mann, der einen Sexclub im Anzug betritt, wird dort fehl am Platz wirken und eventuell gebeten werden zu gehen. Eine Lesbe in Herrenanzug und Krawatte hingegen kann am Schild »Fetisch-Kleidung erwünscht« vorbeirauschen in dem Wissen, dass sie als enorm reizvoll angesehen wird. Dieselbe Lesbe im »Cross-Dress« (also in Kleidung, die eigentlich dem anderen Geschlecht zugeschrieben wird) geht auf der Straße vielleicht glatt als Mann durch, ohne dass irgendwer irritiert ist. Genauso wenig werden Rüschensöckchen in Lederhalbschuhen unter einem karierten Schulmädchen-Faltenrock groß auffallen – es sei denn, sie werden von einer erwachsenen Frau getragen, deren enge Bluse eine üppige Oberweite offenbart.

Fetische, bei denen Verkleidung eine Rolle spielt, sind vielleicht am bekanntesten und am weitesten verbreitet. Chaps (Lederhosen mit bloßliegendem Hüftbereich bzw. Gesäß), knappe Dessous, enge Korsetts, Latexkleider, Gummikapuzen und Ketten-Brustpanzer sind als Fetisch-Bekleidung beliebt. Viele Frauen haben Uniform-Fetische und geben sich beachtliche Mühe, an die authentische Ausrüstung von Soldaten, Matrosen und Polizisten heranzukommen – bis zum Gummiknüppel. Uniform-Fetischistinnen können Exhibitionistinnen sein, müssen aber nicht.

 

Ich bin eine unglaubliche Exhibitionistin. Ich trage durchsichtige, spitzenbesetzte verschnürte Sachen, durch die Teile meines Körpers zu sehen sind. Schlitze in meinen Kleidern, die bis hier gehen. Ich bekomme viel Aufmerksamkeit …

 

Vielen Frauen machen erotische Praktiken wie Spanking (Arsch versohlen), Bondage (Fesseln) und Wassersport (auch Natursekt oder Golden Showers genannt) Spaß. Der warme Urinstrahl, der aus dem Körper einer Frau auf den einer anderen spritzt, ist für viele Frauen ein absoluter Scharfmacher. (Zur Sicherheit: kein Urin in der Nähe von Hautverletzungen, Augen und Mund.)

Körperliche Veränderungen wie Tattoos, Piercing, Narben und Schnitte haben für viele eine tiefe Bedeutung. Für manche ist allein der Akt, solche körperlichen Veränderungen an sich vornehmen zu lassen (oder an anderen vorzunehmen) eine erotische Erfahrung; andere interessieren eher die Ergebnisse. Selbst das Rasieren der Genitalien kann als eine temporäre körperliche Veränderung betrachtet werden. Das Ritual, den eigenen Genitalbereich zu rasieren, mag die gespannte Erwartung vor einer heißen Verabredung steigern. Das Rasieren der Genitalien der Partnerin kann eine aufregende Erfahrung sein (siehe »Kapitel 10, »Rasieren – Das kleine Einmaleins«).

Ob du deine erotischen Interessen als Fetisch oder einfach als Scharfmacher bezeichnest, liegt ganz bei dir. Wichtig ist, dass du das Gefühl hast, deine Interessen frei entfalten zu können. Lesben und bisexuelle Frauen leben die unterschiedlichsten Fetisch-Praktiken aus – zu viele, um sie hier alle aufzuführen. Es gibt Organisationen, Bücher, Zeitschriften, Webseiten und Newsgroups im Internet, die sich einzelnen Fetischen widmen (siehe Serviceteil).

Loslassen

Und wenn du einfach nicht weißt, was du willst? Viele Frauen begegnen Sex mit einem frustrierenden Gefühl von Verschwommenheit. Klar hüpft deine Klit, um der Lust deiner Partnerin entgegenzukommen – doch im Grunde weißt du gar nicht, was du willst. Selbst wenn du eine ziemlich genaue Vorstellung davon hast, was dich in Fahrt bringt, ist es dir vielleicht zu peinlich, dein Verlangen in die Tat umzusetzen. Noch schlimmer – ein kalter Knoten aus Scham in deinem Bauch sagt dir vielleicht, dass es nicht okay ist, ganz gleich, was du willst. Oder du verzweifelst bei dem Gedanken, nie eine Partnerin zu finden, die ähnliche sexuelle Wünsche hat wie du. Dir ist noch nicht mal eine mögliche Kandidatin über den Weg gelaufen – also warum sich die Mühe machen? So wie ungeerntete Trauben am Weinstock können deine Phantasien vertrocknen und absterben.

Das Gute ist: Es gibt Unterstützung für dein Begehren – du brauchst nur ein wenig Mut und Kreativität dazu. (Im Serviceteil dieses Buches findest du eine Menge hilfreicher Adressen, Bücher und Filmtipps.) Lass deiner Phantasie freien Lauf. Lass die Wertung mal außen vor. Sehnsüchte sind keine sozialen Verträge. Du musst deine Phantasien nicht umsetzen – es sei denn, du willst es! Wen kümmert’s, ob deine Phantasien filmreif sind oder Punktabzug für ihren Plot bekämen? Das Ziel heißt: Finde heraus, was dich feucht macht. Vergiss die politischen Dimensionen deiner Wünsche.

Träume werden wahr

Dass du zur Entwicklung deines sexuellen Selbstbewusstseins so tun musst, als hättest du es bereits, ist natürlich ein bisschen widersprüchlich. Hier ein paar Vorschläge für den Anfang:

Was will ich?

•  Hör auf deine Möse. Die Lust ist in deinem Körper. Was bringt deine Klit zum Pochen?

•  Betrachte dein Phantasieleben. Welche Bilder kommen dir beim Aufwachen in den Sinn, wenn du deine Gedanken noch nicht kontrollierst? Oder kurz vor dem Orgasmus? Deine erotische Vorstellungskraft ist ein reicher Quell zur Entdeckung deiner Wünsche.

•  Mach ein Brainstorming. Nimm dir Stift und Papier und leg drei Listen an: 1. jede sexuelle Aktivität, die du je erlebt hast; 2. jede sexuelle Aktivität, von der du gehört hast und die du vielleicht mal ausprobieren möchtest; 3. jedes sexuelle Szenario, das in deinen Phantasien auftaucht. Ergänz deine Listen, wenn dir etwas Neues einfällt. Mach dir keine Gedanken, ob du diese Dinge jemals wirklich tun wirst – schreib sie einfach nur auf. (Ich habe diese Übung mit einer Gruppe von Frauen gemacht – erstaunlich, wie inspirierend die Scharfmacher anderer sein können.) Siehe auch Abschnitt »Erotische Spiele«.

•  Führe ein Tagebuch deiner erotischen Reisen. Irgendwann wirst du froh sein, deine sexuelle Entwicklung festgehalten zu haben. Wer weiß – vielleicht kannst du deinen Text einmal in einer Erotik-Anthologie unterbringen.

•  Lies erotische Literatur. Sammlungen erotischer Kurzgeschichten, wie zum Beispiel Verführungen oder Begehren, sind eine wunderbare Quelle, um die erotischen Vorstellungen unterschiedlichster Autorinnen auszuschöpfen.

•  Lies Sexratgeber. Dort findest du informative und detaillierte Beschreibungen von Dingen, die andere tun, mögen oder sich wünschen.

•  Schau dir eine sexplizite DVD oder ein Video an. Vielleicht sind Pornos für dich eine Quelle für erotische Inspiration. Siehe Abschnitt »Lesbenpornos«.

 

Einmal hatten wir Sex im Flugzeug. Wir zogen die Decke über uns, und sie steckte ihre Finger in meine Möse. Ich kam leise, hoch über New Orleans.

Nur für mich

•  Du hast das Gefühl, das Sexleben deiner Träume wird nie Wirklichkeit werden? Dann gönn dir jeden Tag eine erotische Freude – wenigstens eine kleine. Kauf dir die neueste oder eine dir fehlende Ausgabe von Mein lesbisches Auge. Schau dich mal im Internet um – zum Beispiel auf www.cyber-dyke.net oder anderen queeren Porno-Seiten (da findest du echte lesbische Pornos – und nicht diese Pseudo-Mainstreamvariante). Probier in der Mittagspause deinen neuen Taschenvibrator aus. Stell dir Sex mit der neuen Sprechstundenhilfe deiner Frauenärztin vor: »Erst locke ich sie ins Behandlungszimmer, dann dränge ich sie auf den Stuhl …«

•  »Verbiete dir nichts« lautet das Motto von Stormy Leather, einer Fetisch-Boutique in San Francisco. Die Designerinnen all dieser unglaublichen Outfits in Latex und Leder müssen es wissen! Neue Klamotten, ein neues Sexspielzeug, ein geiler Haarschnitt, das Tattoo oder Piercing, von dem du schon immer geträumt hast … Verwöhn dich selbst.

•  Stell dir Dinge vor, die dir Spaß machen, Dinge, die dich ängstigen, und Dinge, die dich so richtig aufgeilen. Du kannst dir sogar Dinge vorstellen, die dich abstoßen. Es ist völlig okay, wenn du Phantasien über andere Menschen als deine Geliebte hast oder über Menschen, die eigentlich nicht deiner sexuellen Orientierung entsprechen. Du darfst dir Dinge vorstellen, die du vielleicht nicht tun möchtest. In deinen Phantasien kannst du sogar »nicht einvernehmlichen« Sex haben, also jemanden zum Sex nötigen.

•  Erkläre einen Tag zum »Tag des Genusses« und genieß ihn ohne jede Reue. Stell dir für einen Tag das Unvorstellbare vor.

 

Meine Beine werden zu Schwanenflügeln, und ich sehe, wie sich die Flügel aus dem Wasser in die Luft erheben.

Unterstützung

•  Such dir FreundInnen, die dich bei deiner Selbstentdeckung ermutigen.

•  Bitte um Unterstützung und sei dabei konkret: »Ich will meine Wünsche ausdrücken können. Wie hast du deine Gehemmtheit überwunden?«

•  Schreib dich im Internet bei einer Online-Community oder Mailingliste ein, bei der es um Sex geht (siehe Serviceteil). Frag die anderen Mitglieder, wie sie es geschafft haben, ihren wilden sexuellen Wünschen zu frönen. (Sie werden froh darüber sein, dass du so eine faszinierende Diskussion angezettelt hast!) Die Einschreibung bei Mailinglisten ist kostenlos, und viele Unis bieten kostenlosen Zugang zum Internet.

•  Frag eine Expertin. Es gibt verschiedene Diskussionsforen, in denen Expertinnen Frage und Antwort stehen. Da kannst du nicht nur selbst Fragen stellen, du kannst auch sehen, was andere Frauen und Deinesgleichen umtreibt und was sie wissen möchten. Infos, Tipps und Tricks zum Thema Lesben und Sex findest du auch in Büchern und Zeitschriften (siehe Serviceteil).

•  Vielleicht überrascht es dich, aber viele bekannte »sexpositive« Autorinnen und Künstlerinnen haben einmal genauso angefangen wie du. Sie waren vielleicht genauso gehemmt und haben einen ebenso schwierigen Prozess durchgemacht, sich selbst anzunehmen. Deswegen tun sie eine Menge dafür, dass du es leichter hast!

•  Bitte deine Freundinnen, dir ihre heißesten Phantasien zu erzählen, und erzähle ihnen deine.

Libido-Elixiere

Libido ist sexuelle Energie in Reinform – das Gefühl zu wollen, egal was oder wen du willst. Bei der Libido geht es weder um dein Aussehen, die Größe deiner Sexspielzeug-Truhe, noch darum, wer mit dir Sex haben will (oder nicht). Die Libido ist deine erotische Lebenskraft, ein wesentlicher Teil deiner Persönlichkeit. Auch wenn deine Phantasien vielerlei Ursprünge haben mögen, bist doch du die eigentliche Quelle deiner Lust. Betrachte die Libido als etwas, das du üben kannst, wie Cello spielen, Meditieren, Yoga oder auch Tore schießen. Mit der Übung wachsen nicht nur deine sexuellen Fertigkeiten – es wächst auch dein Potenzial sexueller Energie (und sogar sexuellen Empfindens). Es gibt viele Möglichkeiten, deine Libido »fit zu halten«: Masturbieren, Phantasieren, Achtsamkeitsübungen, Strippen, zu einer Drag-King-Show gehen, ein Sextagebuch führen, Sex mit einer Partnerin haben, anderen beim Sex zugucken, Pornos ansehen, erotische Literatur lesen, über Sex reden, Sex planen und Sexratgeber lesen, was du ja gerade tust.

Verliebtsein ist natürlich die absolute Libido-Animation. Das Coming-out kann deinen Sexualtrieb anregen (und du kannst immer wieder ein Coming-out haben, wann immer du neue Wege findest, in die du deine erotischen Energien lenkst). Wenn sich dein Körperbild, dein Selbstwertgefühl und deine allgemeine Gesundheit verbessern, entsteht Raum für eine Erneuerung der sexuellen Energie. Alles, was dazu beiträgt, dass du dir sexuell mehr erlaubst, steigert deine sexuelle Energie.

Die Libido entwickelt sich im Laufe des Lebens und nimmt in einem dir eigenen Rhythmus ab und zu. Vielen Frauen fällt auf, dass sie kurz vor oder während der Menstruation ein stärkeres sexuelles Verlangen haben als sonst. Zwar haben die Hormone auf jeden Fall Einfluss auf deine Libido, doch sie sind nicht allein für die Höhen und Tiefpunkte deines Sexualtriebes verantwortlich. Schließlich haben viele Frauen auch nach den Wechseljahren ein aufregendes Sexleben, und es gibt viele junge Frauen, die keine Verbindung zwischen ihrem Menstruationszyklus und ihrem sexuellen Verlangen feststellen können.

Viele Frau-zu-Mann-Transsexuelle berichten, dass ihre Libido anstieg, als sie anfingen, Testosteron zu spritzen. Umgekehrt beobachteten manche Mann-zu-Frau-Transsexuelle einen Rückgang ihres Sexualtriebs während der Östrogen- und Anti-Androgen-Therapie.

Dass Schwangerschaft die Libido beeinflusst, ist bekannt. Bei einigen, aber keinesfalls allen Frauen nimmt das sexuelle Verlangen in der Schwangerschaft ab. Rachel Pepper schreibt: »Wenn du zu den glücklichen Frauen gehörst, die während der Schwangerschaft mehr sexuelle Energie haben, oder wenn es dir gelingt, dein normales sexuelles Maß aufrechtzuerhalten, mach weiter so! Doch bei der Mehrheit … nimmt die Lust eher ab.« [4] Physiologische Veränderungen, Erschöpfung und Sorgen – der universelle Lustkiller – können dein Sexleben ausbremsen:

In den ersten drei Monaten hatte ich solche Angst, einen Orgasmus zu bekommen und den Fötus abzustoßen, dass ich meiner Partnerin keine Chance gegeben habe, mich sexuell zu erregen.

Nach der Geburt fällt der Östrogenspiegel ab, und der Prolaktinspiegel steigt (sofern die Mutter stillt), und das sexuelle Begehren kann zurückgehen. »Die Auswirkungen der hormonellen Veränderungen auf die Libido der biologischen Mutter sind nicht zu unterschätzen«, schreiben die Sexpädagoginnen Cathy Winks und Anne Semans. [5]

Auch die hormonellen Veränderungen während der Wechseljahre beeinflussen die Libido – und nicht unbedingt in der Art und Weise, wie du es vielleicht erwarten würdest:

Ich muss sagen, dass ich mich mit 44 Jahren und acht Monate nach meiner Hysterektomie (die Eierstöcke habe ich behalten), sexlustiger und erotischer fühle als je zuvor. Ich hatte immer schon einen starken Sexualtrieb, aber WOW! Das ist ein wunderbares Kapitel in meinem Leben – ich kann es immer noch nicht fassen. [6]

Die Hormone haben zwar einen starken Einfluss auf deine Libido, aber sie sind wie gesagt nicht allein verantwortlich für alle Schwankungen. Eine Studie mit Frauen im Alter von 40 bis 60 Jahren kam zu dem Ergebnis, dass Stimmung und Energielevel eindeutig die »besseren Propheten für sexuelles Wohlergehen sind als der Hormonspiegel«. [7] (Mehr hierzu im Abschnitt »Wechseljahre« in Kapitel 3.) Wenn du also deiner Libido etwas Gutes tun willst, tu dir selbst etwas Gutes. Ganz oben auf der Liste: Stress reduzieren. Überarbeitung und Stress wirken sich viel stärker auf unsere Libido aus, als uns bewusst ist.

Ich glaube, ich neige dazu, mich zu übernehmen, und ich habe auch die Tendenz zum Workaholic. Im Laufe des letzten Jahres habe ich mein Verlangen nach Sex weitgehend verloren, was wahrscheinlich auf Stress und Ermüdung zurückzuführen ist.

Ich verliere jede Lust und reagiere ziemlich gereizt, wenn meine Freundin auch nur versucht, Sex mit mir zu haben. Ich muss mich wirklich erst entspannen, bevor ich an Sex überhaupt nur denken kann.

Es könnte dir allerdings auch gelingen, Spannungen und Reizbarkeit in einen Ausbruch von hemmungslos wildem Sex umzuleiten, was übrigens eine ausgesprochen angenehme Art ist, Stress abzubauen.

Andere Möglichkeiten, Stress zu reduzieren und deine Libido zu nähren, sind zum Beispiel Meditation (und wenn es nur zehn Minuten am Tag sind), Aromatherapie (versuch es mal mit einer entspannenden Badeölmischung), sportliche Betätigung, gesundes Essen und ausreichend Ruhe, Schlaf und Erholung. Das Wichtigste aber: Schalt einen Gang herunter. Atme. Wenn dein Leben so arbeitsreich ist, dass du nicht mal Zeit hast, deinen Vibrator aufzuladen (geschweige denn, ihn zu benutzen), bist du ernsthaft überlastet.

Während der sexuellen Erregung versendet dein Hirn neurale Botschaften über die sympathischen und parasympathischen Nervenbahnen. Stress kann die Funktion dieser Nervenbahnen stören, und das wiederum behindert die Stimulation der Nerven (Empfinden), den Blutandrang und die Erektion der Klitoris – kurzum: all die Signale, die dir mitteilen, dass du sexuell erregt bist. Kein Wunder, dass du kein Verlangen mehr hast! (Mehr zum Thema sexuelle Erregung im nächsten Kapitel; Näheres zum Bewussten Atmen siehe Kapitel 4.)

Sex und Nähe

»Lebendige Erotik scheut nicht vor Problemen zurück, sie arbeitet mit ihnen und verwandelt sie«, schreibt Jack Morin in The Erotic Mind. Morin stellt in seinem Buch eine Gleichung auf, die sofort einleuchtet: Anziehung + Hindernisse = Lust. [8] Ein verbotenes Objekt der Begierde – ob es sich dabei um einen Menschen, eine Phantasievorstellung oder eine tabuisierte Aktivität handelt – macht uns heiß wie nichts anderes. Was passiert, wenn das Hindernis entfernt wird? Manchmal schwindet deine Lust dann, wie bei langjährigen Partnerinnen, deren Verlangen auf den Nullpunkt gesunken ist. Sie lassen sich nicht auf neue Ebenen von Intimität ein, finden es nicht mehr aufregend, einander sexuell zu entdecken und klagen, dass der »Funke erloschen« ist. So kann Nähe manchmal zu Langeweile führen.

Es ist selten, dass sich Liebende in einer langjährigen Beziehung über die Jahre gleichbleibend begehren. Wir haben alle schon mal das intensive sexuelle Hochgefühl in der Verliebtheitsphase erlebt und dann die unaufhaltsame Abkühlung. Natürlich heißt »Abkühlung« nicht, Sex aufzugeben. Doch mit einer langjährigen Partnerin ein aufregendes Sexleben zu erhalten, fordert dich. Was Sex angeht, klagen langjährige Partnerinnen am häufigsten darüber, dass ihr Bedürfnis nach Sex völlig unterschiedlich sei. Entweder will die eine mehr Sex als die andere oder sie will anderen Sex. Für eine Beziehung, die beiden Partnerinnen viel bedeutet, kann das sehr bedrohlich sein. Es ist verführerisch, das Problem einfach zu ignorieren – doch das bringt letztlich nichts. Mit dem Problem unterschiedlicher sexueller Bedürfnisse konfrontiert, entscheiden sich viele für eine neue Partnerin oder einen neuen Partner – oder verzichten auf Sex. Wie Renate Stendhal in ihrem Buch Die Farben der Lust – Sex in lesbischen Liebesbeziehungen zeigt, ist das Problem auch auf weniger radikale Weise lösbar. Zum Beispiel die Geliebte behalten und am Sex etwas ändern. (Mehr zu diesem Thema in Kapitel 8.)

Phantasien