cover

FRAUEN IM SINN

 

logo

Verlag Krug & Schadenberg

 

 

Literatur deutschsprachiger und internationaler

Autorinnen (zeitgenössische Romane, Kriminalromane,

historische Romane, Erzählungen)

 

Sachbücher und Ratgeber zu allen Themen

rund um das lesbische Leben

 

Bitte besuchen Sie uns: www.krugschadenberg.de.

Karin Kallmaker

Unvergessen

Roman

 

 

Aus dem amerikanischen Englisch
von Andrea Krug

K+S digital

Für Maria

1

„… zeigt an, dass wir unsere Reisehöhe erreicht haben. Zu Ihrer Sicherheit und Bequemlichkeit …“

„Es geht immer nur darum, dass du es bequem hast. Du könntest deinen Hintern ab und zu auch mal hochkriegen!“

Rett schüttelte den Kopf, lehnte sich wieder in den unbequemen Flugzeugsitz zurück und versuchte erneut, einen Weg in den Schlaf zu finden, der keine Neuinszenierung des demütigenden Streits mit Trish mit sich brachte. Sie war hundemüde und wollte nur eines: den ganzen Flug von La Guardia nach LAX über schlafen. Sie hatte die ganze vergangene Woche über nicht gut geschlafen, weil ihr jedes Wort von Trish im Kopf herumgeschwirrt war.

„Darf ich Ihnen etwas zu trinken bringen, während das Mittagessen zubereitet wird?“ Erneut erklang die nasale Stimme des Flugbegleiters. Rett war die eifrige Fürsorge in der ersten Klasse nicht gewöhnt. Sie hatte gehofft, die etwas bequemeren Sitze würden die gesammelten Meilenpunkte, die sie für den Aufschlag eingelöst hatte, wert sein, doch das wäre nur dann der Fall, wenn sie ein wenig Schlaf bekäme. Aber es war angenehm, von vorn bis hinten bedient zu werden.

„Wasser, bitte“, murmelte sie. Sie lag hinter ihrem täglichen Soll zurück, und Schlaf schien ohnehin unwahrscheinlich. Sie trank die Flasche in wenigen Zügen leer und schloss die Augen.

So müde …

„… zu Ihrer Rechten sehen Sie Hunderte von Seen, die Minnesota auszeichnen, und auch den großartigen Lake Superior …“

„Du kommst dir so großartig vor. Schön, du kannst singen. Na und? Wir haben dieses Jahr weniger Umsatz gemacht als letztes Jahr, und deine ,Ich bin ein nettes Mädchen‘-Tour zieht nicht länger. Wenn du berühmt werden willst, dann benimm dich entsprechend.“

Desorientiert öffnete Rett ein Auge und sah, wie der Flugbegleiter ihrem Sitznachbarn einen frisch zubereiteten Caesar-Salat servierte.

„Ah, Sie sind wach“, bemerkte der Steward munter. „Möchten Sie das Filet oder lieber Chicken Newburg?“

Rett räusperte sich. „Chicken Newburg.“ Ihr Stimme klang wie ein Froschquaken. Sie legte die Hand an die Kehle. „Und noch ein Wasser, bitte.“

Schlucken erzeugte eine winzige Spur Schmerz, der ihre Alarmglocken schrillen ließ. Sie hatte ihre Stimme die ganze Woche lang überstrapaziert. Sie hatte die Band, mit der sie aufgetreten war, ebenso genossen wie das enthusiastische, Swing und Jazz liebende Publikum. Sie hatte so lange gesungen, wie das Publikum sie hören wollte, um nicht in ihr Hotel zurückkehren zu müssen und den Streit erneut in ihrem Kopf ablaufen zu lassen.

Sie wollte sich nicht von Trish trennen, aber vielleicht war es unvermeidlich. Trish hatte recht – in drei Wochen würde sie vierzig werden, und die Zeit lief ihr in mehr als einer Hinsicht davon. Lieber Himmel, es war ein schrecklicher Streit gewesen. Sie hatte miterlebt, wie Trish andere fertiggemacht hatte, aber Trishs Pfeile waren nie zuvor so unbarmherzig auf sie gerichtet gewesen.

Sie war dermaßen müde …

„… die klare Sicht erlaubt es, die Rocky Mountains auf beiden Seiten bis zum Horizont zu verfolgen …“

„Du willst deinen Horizont erweitern? Du dummes kleines Ding – Leute wie wir kommen nie aus Woton, Minnesota, raus. Du warst ein Niemand, als du geboren wurdest, und du wirst nie was anderes sein.“

Rett erwachte und umklammerte die Armlehnen ihres Sitzes. Du lieber Himmel, sie war von Trish zu ihrer Mutter übergegangen. Klar, sie war müde, aber warum um alles in der Welt war sie dermaßen neben der Spur, dass sie nach all den Jahren von ihrer Mutter träumte?

Sie wollte nicht riskieren, wieder einzuschlafen, und aß deshalb zögerlich von dem Eis mit heißer Schokoladensauce, das der Flugbegleiter ihr aufgedrängt hatte. Sie blinzelte die Tränen zurück und schalt sich selbst, dass sie sich nicht besser im Griff hatte – zum Teufel auch, ihre Kehle schnürte sich immer mehr zu und die daraus folgenden Schmerzen und das reduzierte Stimmvolumen würden mindestens zwölf Stunden anhalten. Ihr Hals war jetzt schon wund genug, um eine Weile über dem Inhalator zu hängen. Trish würde sagen, dass die Inhalatorkur nur ein Vorwand war, um sich vor dem Besuch einer Party oder einer Premiere oder einer sonstigen unsinnigen Gelegenheit zu drücken, bei der sie Menschen, denen sie nie wieder begegnen würde, versprach, sich mit ihnen zum Mittagessen zu treffen. Niemand erinnerte sich je an Rett Jamison.

Hör auf damit! befahl sie sich. Du hast schon genug Kummer, mit dem du fertigwerden musst, ohne auch noch Selbstmitleid obendrauf zu packen.

Sie legte die Stirn gegen das kühle Fenster. Sie war so müde …

„Bitte, hör auf!“ hatte sie gefleht. „Nichts, was du sagst, wird mich dazu bringen, irgendeinen Produzenten anzubetteln, mir doch eine Chance zu geben.“

Trish schnaubte verächtlich. „Ach, nein? Ist das etwa mein Job?“ Sie kickte ein Badetuch fort, das auf dem Fußboden lag. „Ich reiß mir den Arsch auf, und du bist dir zu schade, einen Anruf zu machen? Wer bist du denn schon? Als ob du ohne mich jemals irgendwas erreichen würdest!“

Trish war nie zuvor dermaßen sauer auf sie gewesen, aber Rett hatte nicht einlenken wollen. „Du erzählst mir doch immer, ich soll mich auf meine Musik konzentrieren und du würdest dich um den Kleinscheiß kümmern. Dafür kriegst du schließlich deine fünfzehn Prozent.“ Rett hatte das Thema Geld eigentlich nicht ansprechen wollen, doch plötzlich konnte sie es sich nicht mehr verkneifen.

„Ich hätte mehr verdient. Den Termin zum Vorsingen zu bekommen war schwer genug, und nun weigerst du dich, telefonisch nachzuhaken.“

„Naomi hat den Termin vereinbart, nicht du. Und Naomi hat nicht gesagt, dass ich nachhaken soll.“

Trish bebte vor Wut. „Lass die Zicke aus dem Spiel! Als nächstes erzählst du mir noch, dass du mehr Kohle verdient hast, als sie noch deine Managerin war und nicht nur deine Agentin.“

Es stimmte. Ach, wie gern hätte Rett das gesagt. Es erforderte den letzten Rest Selbstkontrolle, den sie noch aufbringen konnte, um die Worte, die ihr schon auf der Zunge lagen, nicht auszusprechen. Mit zitternder Stimme sagte sie statt dessen: „In zwei Stunden bin ich auf dem Weg nach New York –“

„Und eben deshalb solltest du deinen Hintern zum Telefon bewegen und diesen Produzenten anrufen. Ich habe auf vier Parties rumgehangen, um herauszufinden, wer den Film produziert.“

„Ich glaube, es wird nach hinten losgehen.“ Es war nicht allein das Unbehagen angesichts der geforderten Eigenwerbung, das sie stur bleiben ließ. Sie vertraute darauf, dass Naomi, die seit vielen Jahren ihre Agentin war, es sie wissen ließ, wenn sie es für ratsam hielt, einen Produzenten anzurufen. In diesem Animationsfilm von Disney zu singen war die Chance ihres Lebens, und sie wollte sie auf keinen Fall vermasseln.

„Was zum Teufel verstehst du schon davon? Du hast keine Ahnung, wie es funktioniert, Rett Jamison, Inc. in den schwarzen Zahlen zu halten. Du vertraust meinem Urteil nicht. Du bist manchmal solch eine verdammte Landpomeranze. Liebe Güte, du gibst eine dermaßen lächerliche Figur ab. Sieh dich doch an – bis zum Hals zugeknöpft und den Arsch verkniffen wie Nancy Reagan. Ich weiß nicht, wieso ich mir überhaupt die Mühe mache.“

„Trish, hör auf! Ich muss zum Flughafen …“

Rett rutschte auf ihrem Sitz herum. Sie wollte die endlose Wiederholung des Streits unterbinden.

„Ich werde vielleicht nicht mehr hier sein, wenn du zurückkommst!“ hatte Trish gefaucht. „Es gibt Menschen, die wissen mich durchaus zu schätzen. Apropos New York – denk dran, dass wir knapp bei Kasse sind.“

„… nach dem kühlen Morgen in New York landen wir bei angenehmen zwanzig Grad auf dem Flughafen von Los Angeles. Wir werden unseren Sinkflug in wenigen Minuten beginnen. Der Rückenwind, der uns die wunderbar klare Sicht während des Fluges beschert hat, bringt uns zudem fünfundvierzig Minuten früher ans Ziel.“

Plötzlich konnte Rett Louis Armstrong gefühlvoll „What a Wonderful World“ singen hören. Die Worte glitten in ihr schlaftrunkenes Hirn, und sie wollte in dem Lied verharren, in dem der Himmel blau war und Trish sie nicht anschrie. Sie träumte, sie sänge ein Duett mit Chet Baker, oder war es Tony Bennett? Nein, nein, es war Ella Fitzgerald, oder vielleicht sogar Rosemary Clooney. Sie durchlebte noch einmal die vergangene Woche, in der sie all deren Lieder gesungen und das Publikum sie um Zugaben angefleht hatte. Sie sollte sich eigentlich fühlen wie im siebten Himmel, wie ein Star.

Sie fühlte sich wie ein Ballon, aus dem die Luft entwich.

Eine aufdringliche Stimme übertönte ihre Traumduetts. „Wir beginnen unseren Anflug auf Los Angeles. Bitte legen Sie die Sicherheitsgurte an …“

„Haben Sie vor der Landung noch einen Wunsch?“ Wieder erklang die nasale Stimme des Stewards, der für die erste Klasse zuständig war.

„Wasser“, antwortete Rett automatisch. Er war im Nu mit einer weiteren Flasche Quellwasser zurück, und Rett versuchte ihre Schläfrigkeit zu überwinden, während sie einen Schluck nach dem anderen trank. Sie fühlte sich ein wenig ausgeruhter, aber die Tage, an denen sie problemlos mit weniger als drei Stunden Schlaf ausgekommen war, waren vorbei. Es mangelte ihr an den emotionalen Reserven, um mit der hässlichen Situation zwischen ihr und Trish fertigzuwerden. Sie seufzte tief.

„Anstrengende Reise?“ Der Mann neben ihr packte seinen Laptop ein. Als sie ihre Plätze eingenommen hatten, hatte Rett befürchtet, er würde womöglich die ganze Zeit über reden wollen, doch sobald die Ankündigung erfolgt war, dass nun elektronische Geräte eingeschaltet werden dürften, hatte er sich in die Börse eingeloggt.

„Bloß müde. Ich regeneriere mich nicht mehr so schnell wie früher. Es gab mal eine Zeit, da konnte ich bis drei Uhr morgens singen und um neun schon wieder im Studio stehen. Und das wochenlang am Stück.“

„Kommt mir bekannt vor.“ Er verstaute den Laptop in der Gepäckablage und setzte sich wieder. „Früher konnte ich aus dem Flieger steigen und schnurstracks zu zwei Besprechungen, einer Cocktailparty und einem ausgedehnten Geschäftsessen gehen. Heute will ich nur noch in die Badewanne und dann ins Bett.“

„Klingt wundervoll“, stimmte Rett zu. Dann überlegte sie, dass ihre begeisterte Zustimmung als Anmache aufgefasst werden könnte. Sie warf ihrem Nachbarn einen Seitenblick zu. „Ich habe ein Jacuzzi zu Hause, und genau das peile ich an.“

Er schien erleichtert zu sein. Nach einer kurzen Pause fuhr er fort. „Wussten Sie, dass Sie im Schlaf summen?“

Rett wurde rot. „Nein, das wusste ich nicht.“ Von einem Mann ein solch intimes Detail über sich zu erfahren – damit hatte sie nicht gerechnet. „Das hat mir noch nie jemand gesagt.“

„Ich glaube, es war ein Lied von Cole Porter.“

„Ich singe viele Lieder von Cole Porter“, gab Rett zu. „Er ist einer meiner Lieblingsinterpreten.“

„Meiner auch. Treten Sie öfter im Großraum L.A. auf? Ich habe einen Freund, der diese Art von Musik liebt – Jazz und so.“

„Ich bin Ende Juli auf dem Newport Jazz Festival. Mit David Benoit und anderen.“

„Dann werde ich mir Karten besorgen.“ Er zog einen Palm Pilot hervor und machte sich eilig mit einem winzigen Stift Notizen. „Rett Jamison, stimmt’s?“ Er grinste. „Ich habe es auf Ihrem Gepäckanhänger gelesen. Wir werden nach Ihnen Ausschau halten. Nach Ihrem Auftritt werde ich ihm erzählen, dass ich Sie im Schlaf habe summen hören – da wird er Augen machen.“

Retts Schwulenradar schlug an. „Erzählen Sie das nicht meiner Freundin – sie gehört nicht zu denen, die in diesen Dingen Spaß verstehen.“ In Wahrheit verstand Trish ziemlich viel Spaß, aber Rett wollte sichergehen, dass er kapierte, dass sie seine Botschaft verstanden hatte und ihm auf gleicher Wellenlänge antwortete.

Seine Baßstimme war nun von einem leichten Südstaatenakzent gefärbt. Atlanta, dachte sie. „Ich bezweifle, dass Sie sich zu der Zeit noch an mich erinnern werden, aber wenn Sie mich in der Menge entdecken, dann winken Sie. Ich werde tun, als könnte ich kein Wässerchen trüben.“

„Kein Problem“, erwiderte Rett. „Ich vergesse nie ein Gesicht. Ich vergesse überhaupt nie irgend etwas.“ Ein fotografisches Gedächtnis, ein nahezu vollkommenes Erinnerungsvermögen – für sie als Künstlerin war es ein Segen – ihm hatte sie ihr umfangreiches Repertoire zu verdanken. Es führte jedoch auch dazu, dass sie jedes einzelne Wort von Trish frisch und gnadenlos schmerzhaft im Kopf hatte.

Der Steward nahm ihre leere Wasserflasche fort, und wenige Minuten später war das Flugzeug weich gelandet. Ein kurzer Blick aus dem Fenster bestätigte die Worte des Flugkapitäns. Mai in L.A. bedeutete eine milde Brise, blauen Himmel und warmen Sonnenschein. In New York war es noch ziemlich kühl gewesen, vor allem nachts.

Ihr Handy piepte, als sie auf der Suche nach einem Bus-Shuttle aus der Ankunftshalle trat. Im Display las sie den Namen ihrer Agentin: Naomi Grey. „Ich bin gerade gelandet“, sagte sie ohne Begrüßung. „Lass mich zumindest mal Luft holen.“

„Ich muss dich sofort sehen.“ Naomi klang nur eine Spur entschuldigend. „Ich bin in fünf Minuten am Flughafen. Ich hole dich ab und fahre dich nach Hause.“

„Schön – wenn ich mir auf diese Weise den Bus-Shuttle ersparen kann. Meine Haltestelle wäre die letzte, und ich würde für die zwanzig Meilen drei Stunden unterwegs sein.“ Rett verspürte eine Woge der Erleichterung. „Ich bin sogar bereit, über geschäftliche Dinge mit dir zu sprechen. Na gut, dir zumindest zuzuhören, während du über geschäftliche Dinge sprichst. Ich bin ziemlich erledigt.“

„Ich weiß, Herzchen. Aber die Sache duldet keinen Aufschub.“

Sie stand am Bordstein und fragte sich, was Naomi so Dringendes zu besprechen haben mochte. Ein neues Engagement vielleicht? Nein, etwas so Profanes hätte Naomi nicht für sich behalten. Sie hätte eine Nachricht hinterlassen. Es sei denn, es waren wirklich umwerfend gute Neuigkeiten. Einen Moment lang hatte Rett heftiges Herzklopfen. Vielleicht hatte Disney sich gemeldet. Sie würde die Singstimme einer Schauspielerin in einem Animationsfilm sein. Wenn es sich um diesen Rückruf handelte, dann hätte sie sich den ganzen Streit mit Trish sparen können.

Sie versuchte, ihre Erwartungen im Zaum zu halten. Das Leben einer Künstlerin bestand nun einmal aus einer langen Reihe von Absagen, die von Augenblicken des Triumphes durchbrochen wurde. Sie konnte sich glücklich schätzen, dass sich die Absagen in ihrem Fall auf ein Minimum beschränkten. Sie hatte ihre Nische gefunden, und das war mehr, als die meisten Sängerinnen und Sänger von sich behaupten konnten. Außerdem würde das ihre Probleme mit Trish wohl kaum dauerhaft lösen können. Es würde höchstens eine vorübergehende Versöhnung mit sich bringen.

Naomis Audi kreuzte mehrere Fahrspuren und kam am Bordstein zum Stehen. Rett warf ihr Gepäck in den Kofferraum und ließ sich auf den Beifahrersitz sinken. Naomi hatte schon immer eine Vorliebe für niedrige Wagen gehabt.

Rett wartete, bis Naomi sich auf den Century Boulevard eingefädelt hatte, bevor sie mit ihren Fragen begann. Sie begegnete den Fahrern von Flughafen-Shuttles mit tiefem Misstrauen und war überzeugt davon, dass das Benutzen von Flughafenzubringern gefährlicher war als Fliegen. „Also, was sind das für Neuigkeiten, die nicht warten konnten?“

„Ich lade dich zu einem Drink ein. Und dann erzähle ich dir alles.“

Rett sah, dass Naomi unbehaglich zumute war. Also kein Disney-Deal. „Ich brauche kein Beruhigungsmittel, um für schlechte Nachrichten gewappnet zu sein.“

„Aber ich“, erwiderte Naomi knapp.

„Wir können bei mir zu Hause etwas trinken.“

„Ich möchte ungestört sein.“

Rett war verwundert. In einer Bar würden sie kaum ungestörter sein als bei ihr zu Hause. Doch wahrscheinlich war Trish dort, was wiederum bedeutete, dass Naomi Trish nicht dabeihaben wollte. Na prima. Trish und Naomi gerieten ständig aneinander, und sie musste sich andauernd als Friedensstifterin betätigen. Doch im Moment, wo zwischen ihr und Trish dermaßen dicke Luft herrschte, würde ihr das kaum möglich sein.

Die Spannungen zwischen den beiden waren nichts Neues. Sie waren sich von Anfang an nicht grün gewesen. Vier Jahre zuvor hatte Rett Naomis Zuständigkeitsbereich von Agentin und Managerin auf Agentin begrenzt und die Liebe ihres Lebens zu ihrer Managerin erklärt. Trish hatte damals mehrere kleine Stars und eine weitere Sängerin gemanagt, und sie alle hatten unterdessen Karriere gemacht. Trish konnte Rett ihre hundertprozentige Aufmerksamkeit widmen. Sie waren ineinander verliebt. Es war Rett damals nur logisch erschienen, doch jetzt fragte sie sich, warum die anderen Talente, die Trish gemanagt hatte, nach einigen Jahren allesamt zu anderen Managern gewechselt waren. Es war kein loyaler Gedanke, und Rett wollte ihn im Augenblick nicht weiterverfolgen. Ihre sonstigen Probleme mit Trish reichten ihr schon.

Naomi hatte ihre Entscheidung mit Gleichmut hingenommen, aber die Spannung – eine Spannung, die Rett den konkurrenten Naturen der beiden Frauen zugeschrieben hatte – war unverändert geblieben.

Als sie in der Cocktailbar eines Hotels Platz genommen hatten, sagte Rett: „Ich glaube, heute habe ich nicht die Energie, die Wogen zwischen dir und Trish zu glätten.“ Sie wollte Naomi nichts von dem Streit zwischen ihnen erzählen und von Trishs Drohung, sie zu verlassen.

Naomi trank einen Schluck von ihrem Wodka Tonic und verzog das Gesicht. „Das brauchst du auch nicht. Du weißt, dass ich sie nicht mag. Damit habe ich nie hinterm Berg gehalten. Ich weiß, dass sie der Meinung ist, dass ich sie dir gegenüber schlecht mache, aber sie hat ja keine Ahnung – ebensowenig wie du –, wie oft ich an dem, was zu sagen ich mir verkniffen habe, fast erstickt wäre. Heute morgen jedoch habe ich etwas erfahren, das das Fass zum Überlaufen bringt. Du hast die Wahl – entweder sie oder ich –, und ich erwarte nicht, dass du dich für mich entscheidest. Sie ist deine Geliebte, und ich akzeptiere das.“

Rett blinzelte verwirrt. Naomi wollte sie nicht länger vertreten? Der Gedanke war ihr nie in den Sinn gekommen. Naomi war seit zehn, zwölf Jahren für sie tätig – eine lange Zeit. Naomi war eine Agentin, die sich ihre Klientinnen aussuchen konnte. Verdammt – sie beide drohten sie zu verlassen. Trish hatte schon öfter damit gedroht, bei Naomi hingegen war es das erste Mal. Und Naomi stieß keine leeren Drohungen aus.

Aus Loyalität Trish gegenüber hätte sie nicht fragen sollen. Sie hätte erst Trish anhören sollen. Doch Rett konnte es nicht lassen. „Was ist passiert?“

„Vor drei Tagen habe ich erfahren, dass Disney sich für dich entschieden hat.“

Rett schluckte. Naomis Gesicht war zu düster für diesen verheißungsvollen Auftakt. „Und?“

„Trish hat dir nichts davon erzählt, stimmt’s? Ich hatte ihnen gesagt, sie sollten sich wegen der Terminabsprache mit Trish in Verbindung setzen. Heute rief mich die Casting-Managerin von Disney an – eine Gefälligkeit mir zuliebe, weil wir uns kennen, seit wir in den Windeln lagen –, um mir zu sagen, dass die Sache sich erledigt habe.“

Naomis langjährige Freundschaft mit der Casting-Managerin war einer der Gründe dafür gewesen, dass Rett zur Audition eingeladen worden war. Rett fürchtete die Antwort und ahnte doch bereits, was geschehen war. „Und warum?“

„Es sei zu schwierig, mit dir zu arbeiten.“

Rett starrte Naomi eine volle Minute lang an, während ihr das Blut in den Ohren rauschte. Zu schwierig, mit ihr zu arbeiten? Mit ihr? Als ihr vor Ungläubigkeit nicht länger der Kopf schwirrte, begriff sie, was passiert sein musste. Ihre Ungläubigkeit verwandelte sich in Wut. Heiser sagte sie: „Ich glaube, ich brauche jetzt auch einen Drink.“ Als Naomi mit einem Wodka Tonic für sie von der Bar zurückkehrte, bebte Rett vor Zorn. „Was genau ist geschehen?“ Sie trank einen großen Schluck Wodka und hörte zu, wie Naomi ihre Befürchtungen bestätigte.

Naomis Gesicht war starr, doch Rett hätte nicht zu sagen vermocht, ob vor Zorn oder vor Resignation. „Obwohl Disney der Meinung ist, dass du über das seltene Timbre verfügst, das ihr Komponist im Sinn hat, bist du ihnen denn doch nicht so wichtig, als dass sie bereit wären, dir eine Limousine samt Fahrer zur Verfügung zu stellen und für deine fünf oder sechs Begleiterinnen erstklassiges Catering zu ordern. Ich habe einen überaus kostbaren Gefallen eingefordert, um dir die Audition zu verschaffen und das Versprechen, sich für dich zu verwenden, und sie hat es verdammt noch mal vermasselt – für dich wie für mich.“

Rett hätte vor Wut in die Luft gehen können. Die kostbare Chance, um die sie, wäre es nach Trish gegangen, den Produzenten hätte anflehen sollen, war ihnen in den Schoß gefallen – doch das hatte Trish nicht genügt. Sie hatte beschlossen, dass Rett Jamison die Diva spielen musste, um eine zu werden.

Dass Trish ihre Interessen vertrat, war eine Sache, doch überzogen zu reagieren war etwas anderes. Es war Rett nie gelungen, Trish diesen Unterschied klarzumachen. Es war wie die Sache mit dem Wasser. Die meisten Menschen wussten nicht, warum Rett vor einem Auftritt zimmertemperiertes Wasser verlangte, doch als das letzte Mal jemand versehentlich eisgekühltes Wasser gebracht hatte, war Trish über den armen Kellner hergefallen. Rett hatte Trish bitten wollen, innezuhalten – einfach nur um anderes Wasser zu bitten und die Sache auf sich beruhen zu lassen, doch sie war wie erstarrt gewesen. Weil Trish sich in letzter Zeit, wann immer sie zornig wurde, allen Anwesenden gegenüber grausam verhielt, und das letzte, was Rett vor einem Auftritt gebrauchen konnte, war eine vernichtende verbale Attacke von ihrer Geliebten. Gegen Trishs Grausamkeit wusste Rett sich nicht zu wehren. Während der letzten Monate hatte sie einfach nur versucht, Trishs Zornesausbrüchen aus dem Weg zu gehen. Der letzte Streit war nur der Höhepunkt einer ganzen Reihe von Auseinandersetzungen gewesen.

Jetzt musste sie sich diesem Problem stellen. Die ganze vergangene Woche über hatte sie sich den Kopf zerbrochen, wie sie ihre Beziehung wieder kitten könnte, denn um ohne Trish noch einmal von vorn anzufangen war sie zu mutlos gewesen. Doch wie konnte sie diesen Bruch kitten? Eine Chance wie diese würde sich kaum ein zweites Mal eröffnen. Und wenn es sich herumsprach, dass Rett Jamison eine zickige Diva war, brauchte sie sich künftig nicht zu wundern, wenn Engagements rar gesät waren.

Wie hatte Trish den Karren dermaßen in den Dreck fahren können?

Sie holte tief Luft. Sie war sich bewusst, dass Naomi sie beobachtete. Wut ist Energie, sagte sie sich. Wut kann dafür sorgen, dass du den Hintern hochkriegst und endlich tust, was du tun musst, um Veränderungen herbeizuführen.

Anmaßung gegenüber Disney war das letzte, was sie sich leisten konnte. Wie oft war sie im vergangenen Jahr zusammengezuckt, wenn Trish sie schnodderig belehrt hatte, dieser Agent oder jener Promotor sei ein schleimiger Widerling und mit Widerlingen würden sie keine Zeit verplempern, es sei denn, sie zahlten weit mehr als das übliche Honorar, um den Schleimfaktor auszugleichen. Wenn sie ein höheres Honorar verlangte, wurden manche Angebote zurückgezogen. Wie oft hatte Trish nach solchen Absagen verkündet, dass Rett in diesem Jahr nicht mehr Geld verdiente als im Jahr zuvor, wohingegen ihre Kosten gestiegen seien? Wie lange schon hatte Rett das unbehagliche Gefühl, mit ihrer Karriere ginge es bergab, obwohl sie sich das wahrhaftig nicht leisten konnte? Vierzig stellte für viele Sängerinnen eine unüberwindliche Mauer dar.

Als sie nach New York aufgebrochen war, war sie sich wie eine Versagerin vorgekommen. Ihr Kontostand war so niedrig wie ihr Selbstbewusstsein. Trish hatte ihr gesagt, dass sie während der Reise würde sparen müssen. Für den anstehenden Sommer sähe es mau aus, es sei denn, der Disney-Deal käme zustande.

Die Niedergeschlagenheit, die daher rührte, weitere Wege zu weniger teuren Restaurants und Delicatessen zurückzulegen und auf den Zimmerservice zu verzichten, obwohl sie müde gewesen war, hatte es ihr jeden Tag schwerer gemacht, für ihren Auftritt in Form zu sein. Verdammt noch mal – Trish hatte gewusst, was dieses Engagement für sie beide bedeutet hätte. Wie konnte sie es wegen einer Limousine und kulinarischen Schlemmereien aufs Spiel setzen? Sie musste doch wissen, dass Rett den Weg dorthin mit Vergnügen rückwärts zu Fuß gegangen wäre.

Es war Grund genug, stinksauer zu sein. Grund genug, Trish zu feuern. Konnte sie Trish feuern und dennoch als Geliebte behalten?

Lieber Himmel, was sollte sie bloß tun?

„Es hat mir die Sprache verschlagen“, brachte sie schließlich heraus.

Naomi trank ihr Glas aus. „Du musst jetzt auch nichts weiter sagen. Es tut mir leid, Rett. Ich hab dir das nicht gern erzählt …“

„Ich kann deine Haltung verstehen, Naomi.“ Naomi irrte sich selten in geschäftlichen Dingen, erinnerte Rett sich. Deine Karriere geht in eine Richtung, die sie nicht gutheißt, und sie will keinen Anteil daran haben. Das sollte dir ernsthaft zu denken geben.

Sie starrte in ihr Glas und fühlte sich erschöpft und verwirrt und sprachlos. Naomi starrte an die Decke. Rett war froh, dass sie ihr Zeit zum Nachdenken ließ. Naomi kannte sie seit einer Ewigkeit. Widerwillig begann ihr Verstand zu rechnen. Nein, nicht zehn oder zwölf Jahre, sondern fünfzehn. Beide waren sie älter, als Rett es sich hatte eingestehen wollen. Naomi wusste, dass es besser war, den Mund zu halten, wenn Rett nachdenken musste. Trish hingegen bestürmte sie fortwährend, wenn sie eine Entscheidung zu treffen hatte.

Wenn du das tust, sagte sie sich, dann tu es aus den richtigen Gründen. Nicht, weil du sauer bist oder weil du ihr nachträgst, was sie dir an den Kopf geworfen hat. Feuere sie, weil sie als Managerin nichts taugt. Und trenn dich von ihr, weil ihr euch nicht mehr liebt.

Wider Willen erinnerte sie sich an etwas, das sie drei Wochen zuvor in einem Stapel Rechnungen gefunden hatte. Sich deswegen von Trish zu trennen wäre scheinheilig gewesen. Sie führten eine offene Beziehung. Damals, als sie bis über beide Ohren in Trish verliebt gewesen war, hatte sie zugestimmt, dass der ganze patriarchale Monogamie-Trip nichts für sie beide wäre. Das einzige, was zählte, war die Tatsache, dass sie einander respektierten. Es hatte sie keineswegs verletzen sollen, dass Trishs Affären allesamt höchstens halb so alt waren wie sie und einen knackigen Hintern hatten oder dass die meisten von ihnen hinter Trish her waren, weil sie hofften, auf diese Weise irgend jemandem zu begegnen, der oder die ihnen irgendwo zu einem Vorsprechen würde verhelfen können.

Was ihre eigenen Affären anbelangte, so gab es sie nicht. Das war nicht Trishs Schuld. Sex spielte für sie nicht dieselbe Rolle wie für Trish. Wenn sie Sex hatte, konnte sie ganz darin aufgehen, und so war es mit Trish früher auch gewesen, aber Sex war nichts, worauf sie sich beiläufig oder unverbindlich für eine Nacht einließ.

Vor drei Wochen war sie zufällig auf einen Stapel Rechnungen gestoßen, die bezahlt werden mussten. Darum kümmerte Trish sich, und Rett hätte den Rechnungen auch weiter keine Aufmerksamkeit geschenkt, wenn ihr Blick nicht an der ersten Position einer American-Express-Abrechnung hängengeblieben wäre: Sheraton Grande, Los Angeles. Zweihundertfünfzehn Dollar und ein paar Cent. An der Abrechnung befanden sich Kopien der einzelnen Leistungen, woraus hervorging, dass sich die Summe auf eine Übernachtung mit Frühstück, inklusive Zimmerservice, bezog. Sie hatte im Geiste ihren Kalender durchgeblättert. In jener Woche war sie zu Hause gewesen. Das war der Abend gewesen, an dem Trish zu einer All-Night-Party gegangen war. Rett hatte vermutet, dass Trish mit jemandem zusammengewesen war, aber da es sie nichts angehen durfte, hatte sie Trish nicht weiter nach der Party gefragt, als sie am nächsten Morgen nach Hause gekommen war.

Sie hatte die Hotelrechnung aus ihren Gedanken verbannt. Es hatte sie Mühe gekostet. Sie hatte nicht darüber nachdenken wollen. Hatte es nicht können. Es ging sie nichts an, wenn Trish mit jemand anderem zusammen war, aber war es auch in Ordnung, dass sie, Rett Jamison, Inc., für die Rechnung aufkam? Geizte sie mit ihren Ausgaben, damit Trish ihr Geld mit anderen Frauen verprassen konnte? War es wirklich das Geld, über das sie sich aufregte, oder waren es die anderen Frauen?

Sie wollte eine reife und vernünftige Entscheidung treffen, aber im Moment kamen all die Verletzungen, die sie lange unter Verschluss gehalten hatte, an die Oberfläche. Zornig und verletzt – das war nicht gerade die beste Verfassung, um eine Entscheidung von dieser Tragweite zu treffen. Sie versuchte, nicht länger an die anderen Frauen zu denken. Sie sagte sich, dass sie keine Rolle spielten.

Sie spielten eine Rolle, und zwar eine große. Was war sie für eine Idiotin gewesen. Sie hatte ihre Beziehung auf Lügen gegründet, und jetzt erwischte es sie voll.

All die kleinen und weniger kleinen Dinge, an denen sie sich gestört hatte, kamen durch das Fiasko mit Disney ans Tageslicht. Wenn sie Trish wegen dieser Sache nicht feuerte, würde sie ihre Selbstachtung verlieren. Doch sie würde sich selbst etwas vormachen, wenn sie sich einredete, dass dies der einzige Grund war. Es war nur der Auslöser. Sie dachte an Trishs Unfreundlichkeit, an die anderen Frauen und an das Geld.

Ihre Gedanken wirbelten in alle Richtungen, aber sie kehrten immer wieder zum Thema Geld zurück. Trishs sämtliche Ausgaben, einschließlich des schicken geleasten Lexus’, liefen über Retts Konten. Und jetzt bezahlte sie auch noch für Trishs Hotelzimmer inklusive Frühstück am Morgen danach, während Trish sich gleichzeitig darüber beklagte, dass sie nicht flüssig seien, und fünfzehn Prozent von allem einsteckte, das Rett verdiente. Nicht einen Cent trug sie zum gemeinsamen Haushalt bei. Trish musste ein gutes Polster angespart haben. Während ihr eigenes Vermögen – das Geld, das ihr über schwierige Zeiten hinweghelfen oder von dem sie im Alter leben würde – nie nennenswert wuchs.

Rett zahlte für alles und traf dennoch keine Entscheidungen. Wie lange war es her, seit sie das letzte Mal entschieden hatte, ein Engagement anzunehmen oder abzulehnen? Zu lange. Viel zu lange.

Die Liste dessen, was zwischen ihnen beiden schieflief, war lang, doch wenn das Thema Geld an erster Stelle stand, war das wohl ein Zeichen dafür, dass sie Trish wirklich nicht mehr liebte, oder? Es würde schmerzen, wieder allein zu sein, wieder in Clubs herumzuhängen und zu Parties zu gehen in der Hoffnung, eine Frau kennenzulernen, die Herz und Verstand besaß.

„Glaubst du, dass ich ein loyaler Mensch bin? Nein, warte, antworte nicht darauf.“ Rett trank ihr Glas aus und wünschte gleich, sie hätte es nicht getan. Ihr war ganz flau im Magen, als sie daran dachte, was sie erwartete, wenn sie nach Hause kam. „Du bist schließlich nicht meine Therapeutin.“

Naomi schien von Retts plötzlich zurückgekehrten Lebensgeistern nicht weiter überrascht zu sein. „Ich geb mir zumindest Mühe. Doch vielleicht hätte ich früher den Mund aufmachen sollen.“

Rett schüttelte den Kopf. „Nein, das hättest du nicht. Das hier ist ja ein ziemlicher Hammer. Und wenn es etwas weniger Wichtiges gewesen wäre, hätte ich mich für sie entschieden.“

Naomi blinzelte. „Und jetzt?“

„Hast du Zeit, eine alte Freundin zu managen?“

Nicht mal der Schatten eines Lächelns umspielte Naomis Lippen. „Ich dachte schon, du würdest nie fragen.“

„Ich bin echt erledigt.“

„Es tut mir leid, Rett. Wirklich.“

„Ist ja nicht deine Schuld.“ Rett presste die Lippen aufeinander. Sie spürte, wie sich ihr die Kehle zuschnürte, und hatte Mühe, die nächsten Worte herauszubringen. „Ist einfach schwer, wieder Single zu sein.“

„Du glaubst, sie wird dich verlassen?“

„Ihr wird nichts anderes übrigbleiben, wenn ich die Schlösser austauschen lasse.“ Rett versuchte zu lachen, aber Naomi konnte sie nicht täuschen.

„Dann fahre ich dich jetzt nach Hause.“

Rett versuchte, all ihren Mut zu sammeln, indem sie sich innerlich „I Will Survive“ vorsang, aber es funktionierte nicht so recht. Der eben noch wunderschöne Tag erschien ihr nun grau und unheilvoll. Naomi ließ sie an der Eingangshalle der kleinen Wohnanlage heraus, die nur zwei Straßen von der Santa Monica Promenade entfernt war, gleich an der Ecke von Idaho und Second Avenue. Trish hatte ihr zum Kauf der Eigentumswohnung geraten, und in diesem einen Fall hatte sich ihr Rat als richtig erwiesen. Die Wertsteigerung in den letzten drei Jahren belief sich auf fünfzig Prozent. Das Gebäude und die einzelnen Wohnungen waren recht schlicht gehalten, aber die Lage war einzigartig. Und bislang hatte sich auch noch keine Nachbarin, kein Nachbar über ihre zweistündigen morgendlichen Singübungen beschwert – ein weiteres Plus der Wohnung.

Sie entdeckte Trishs Wagen in der Tiefgarage, gleich neben ihrem eigenen, und machte ein paar Atemübungen, um ihr wild pochendes Herz zu beruhigen. Was sollte sie sagen? Sollte sie gleich zur Sache kommen? Sollte sie so tun, als wäre alles in Ordnung bis auf die Tatsache, dass sie Trish feuerte und ihr nahelegte, so bald wie möglich auszuziehen?

Ihre Hand zitterte so heftig, dass sie im Aufzug den falschen Knopf drückte. Sie bemerkte ihren Fehler erst, als sie bereits in der falschen Etage ausgestiegen war. Sie musste auf die Rückkehr des Aufzugs warten und machte noch ein paar Atemübungen. Sie versuchte noch immer, sich zu beruhigen, als sie die Wohnungstür aufschloss.

Überall waren Spuren von Trish. Kleider auf dem Boden, benutztes Geschirr auf dem Küchentresen und dem Esszimmertisch. Sie warf einen Blick auf ihre Armbanduhr und stellte fest, dass sie sie noch nicht auf die Ortszeit umgestellt hatte. Ihrer inneren Uhr nach war es vier Uhr nachmittags, aber hier in L.A. war es erst eins. Trish schlief vielleicht noch, wenn sie am Abend zuvor aus gewesen war. Die Überreste von Käse und Crackern auf dem Tisch wiesen auf Trishs bevorzugten „Durchmachen bis Sonnenaufgang“-Snack hin.

Sie stand auf der Türschwelle zum Schlafzimmer und verfluchte sich, weil sie erst jetzt registrierte, dass zwei Weingläser, zwei Teller auf dem Tisch gestanden hatten. Auf dem Fußboden vor dem Bett lagen zwei Hosen.

Sie wollte nicht hinsehen. Trish wusste von ihrer Heimkehr. Sie kam höchstens eine Stunde früher als geplant, was letztlich bedeutete, dass Trish nicht die Absicht gehabt hatte, die Spuren ihres Abenteuers zu beseitigen, bevor Rett eintraf. Die Hosen, die nicht Trish gehörten, sahen regelrecht nach Kindergröße aus.

Ihr Koffer glitt ihr aus der fühllosen Hand, und der dumpfe Aufprall veranlasste die beiden Schlafenden, sich zu rühren. Trish öffnete als erste die Augen. Sie blinzelte in Retts Richtung.

„Scheiße!“ Sie warf die Bettdecke zurück und setzte sich auf. Die Gestalt neben ihr wurde gleichfalls entblößt – flacher Bauch, feste Brüste, lange Beine. „Wie spät ist es?“

„Zeit, dass du aus meinem Leben verschwindest.“

„Red nicht so. Ich hab das nicht gewollt.“

Die andere Frau war nun auch wach. Ihr Puppenmund war vor Überraschung leicht geöffnet, doch ihr war keine Spur von Verdruss anzumerken. Wenn überhaupt, sah sie triumphierend aus.

Dann erblickte Rett über die Schulter der Frau hinweg den Spiegel, die Rasierklinge und die Spuren eines weißen Pulvers. Die Erkenntnis traf sie härter als alles andere, was geschehen war, und raubte ihr buchstäblich den Atem.

Trish wusste, wie sie zu Drogen stand. Offiziell teilte Trish ihre Ansicht. Drogen waren etwas für Verliererinnen, die sich ohne Rückfahrschein auf dem Weg nach Loserville befanden.

Einen Haufen Lügen hat sie mir aufgetischt, dachte Rett. Selbst dass sie mich liebt, war vermutlich eine Lüge.

Sie rang um Atem, wollte sprechen. „Es ist mein voller Ernst, Trish. Es ist aus und vorbei.“

„Rett, Schätzchen, das meinst du doch nicht wirklich. Ich habe dich in Verlegenheit gebracht. Du bist verärgert.“

„Mich in Verlegenheit gebracht?“

Die andere Frau ergriff das Wort. „Es tut mir unendlich leid, dass ich der Zankapfel bin …“

„Das bild dir bloß nicht ein!“ Rett wollte die Frau nicht ansehen, geschweige denn mit ihr reden. „Sieh zu, dass du dich anziehst und verschwindest, denn das hier geht dich nichts an.“

Trish nickte, als die Frau sie ansah. Sie warteten, während sie sich anzog. Rett entging es nicht, dass Trish ihr mit einer Geste zu verstehen gab, sie würde sie anrufen. Dann war die Frau fort.

Trish suchte sich etwas zum Anziehen, während Rett noch immer an der Tür stand. Nachdem Trish sich ein enganliegendes Muscle-Shirt übergestreift hatte, sah sie Rett an. „Hast du gegessen?“

Rett lachte ungläubig. „Wir sind noch nicht fertig.“

„Doch, sind wir.“ Trish kämmte sich mit den Fingern durch das kurze Haar und sah Rett im Spiegel an. „Himmel, wie ich dich vermisst habe.“

Nein, dachte sie. Das werde ich nicht mitmachen. Verräterisches Fleisch – wie konnte sie Trish immer noch begehren?

Trish wandte sich vom Spiegel ab, ganz muskulöse Schultern, muskulöse Beine. „Ich glaube, ich habe mich zu früh angezogen.“

Sie ließ Trish zu nahe an sich heran. Trishs Atem wisperte ihr ins Ohr. Sie konnte sie riechen … Sie roch nach Sex, und Rett konnte es nicht verhindern, dass ihre Sinne darauf reagierten. In ihr gemeinsames Bett zu sinken, das Bett, in dem Trish mit einer anderen zusammengewesen war, Trish beweisen zu lassen, wie sehr sie sie immer noch liebte, indem sie die Erinnerung an die andere Frau auslöschte – Rett war schwindelig vor Versuchung.

Trish legte ihr sachte einen Finger auf die Lippen, und Rett hätte am liebsten daran geknabbert.

Ich bin nicht meine Mutter. Ich werde ihre Fehler nicht wiederholen. Rett trug diese Litanei in sich, seit sie von zu Hause fortgegangen war, und dennoch merkte sie, dass sie im Begriff war, einen Fehler ihrer Mutter zu wiederholen – sich mit Scheinliebe zu begnügen, statt völlig leer auszugehen.

Sie trat einen Schritt zurück und flüsterte: „Nein!“

Trish war verblüfft. Ihre sexy Attitüde war verschwunden, und ihre Stimme klang messerscharf. „Erfahre ich den Grund dafür?“

Rett räusperte sich. „Du kennst den Grund.“

„Es tut mir leid, dass Cheri noch hier war.“

„Es geht nicht um Wie-auch-immer-sie-heißt oder irgendeine von ihnen. Es geht um Disney.“ Cheri – ein süßer kleiner Name, der zu ihrem süßen kleinen Arsch passte.

„Du bekommst deine Chance, Baby. Es ist nur noch nicht klar, wann. Es sollte eine Überraschung für dich werden.“

„Sie haben abgesagt, Baby. Weil es zu kompliziert ist, mit mir zu arbeiten. Weil Rett Nobody Jamison Limousinen und luxuriöses Catering verlangt.“

„Diese Arschlöcher! Für die Kleine, die Mariah Careys Hund Gassi führt, bieten sie das sehr wohl auf. Es war eine völlig vernünftige Forderung.“

Rett schüttelte ungläubig den Kopf. „Das war die größte Chance meiner Karriere, und du scheinst nicht zu begreifen, dass du sie mir vermasselt hast.“

„Sie können uns gestohlen bleiben, wenn sie nicht wissen, wie sie uns angemessen zu behandeln haben.“ Trish zuckte die Schultern, als wäre der Fall damit erledigt.

Retts Stimme klang schrill vor Zorn. „Mir können sie nicht gestohlen bleiben. Ich hätte diesen Job gebraucht. Es geht nicht darum, wie sie uns behandeln, es geht um die Chance meines Lebens. Und du hast sie mir vermasselt! Warum? Sollte Cheri zu meinen Begleiterinnen zählen? Wolltest du sie mir als frische, junge Stimme vorstellen, die der unschätzbaren Erfahrung bedarf, ein Aufnahmestudio von innen zu sehen?“

„Du bist eifersüchtig auf Cheri, und das solltest du nicht sein.“ Trish baute erneut auf die Pheromone. „Du weißt, was ich für dich empfinde.“

Ich bin nicht meine Mutter, und ich werde ihre Fehler nicht wiederholen. Rett holte tief Luft. „Ich weiß, was du mich glauben machen willst. Aber es ist aus. Du hast mir meine Karriere verbaut, und du hast Drogen ins Haus gebracht.“

„Das da?“ Trish verdrehte die Augen. „Das hat Cheri mitgebracht. Aber dir würde es nicht schaden, es mal zu probieren. Würde dich ein bisschen lockerer machen.“

„Es ist aus, Trish.“ Rett kam es vor, als betrachte sie eine Fremde. „Ich kenne dich nicht mehr. Ich vertraue dir in geschäftlichen Belangen nicht mehr. Ich respektiere dich nicht mehr.“

Trish sah störrisch drein. Wie hatte Rett diesen Ausdruck je als sinnlich auffassen können? „Du bist doch eine ganz kleine Nummer. Was hast du schon groß vorzuweisen? Für wen hältst du dich, dass du meinst, mich rauswerfen zu können?“

Es war wie die Stimme ihrer Mutter in ferner Vergangenheit. Rett biss die Zähne zusammen. „Ich bin die Eigentümerin dieser Wohnung. Diejenige, die hier die Rechnungen bezahlt. Diejenige, deren Karriere beträchtlichen Schaden genommen hat. Für meine Karriere ist ab sofort wieder Naomi zuständig. Und ich freue mich darauf, dass künftig nur eine Frau in meinem Bett liegen wird, statt drei.“

„Diese Pissnelke – wusste ich’s doch, dass sie dahintersteckt. Sie hat mich von Anfang an auf dem Kieker gehabt. Sie tischt dir Lügenmärchen auf, und schon flippst du aus.“

Retts Zorn ließ sie plötzlich völlig ruhig werden. „Mir ist klar geworden, dass ich Naomi weit mehr traue, als ich dir jemals trauen würde. Naomi benutzt mich nicht. Ich weiß, dass wir uns darauf verständigt haben, nicht-monogam zu leben. Aber das bedeutet nicht, dass ich die Hotelübernachtungen auf meiner Kreditkartenabrechnung nicht sehe. Ein Fünf-Sterne-Hotel für dich und eine heiße Affäre, und wenn ich beruflich unterwegs bin, muss ich in billigen Motels absteigen.“

„Es dreht sich also alles nur um Geld.“ Trish lehnte sich gegen die Wand und nahm jene „Lass mich in Ruhe – komm, nimm mich“-Pose ein, die Rett vier Jahre lang verrückt gemacht hatte. Rett fand es geradezu niederträchtig, dass Trishs dunkle Augen ihre Knie noch immer weich werden ließen.

„Weißt du, ich merke gerade, dass das stimmt. Es dreht sich alles darum, wieviel Geld ich herbeischaffen kann, um dir den Lebensstil zu finanzieren, den du gewohnt bist. Du gibst keinen Pfennig von deinen Prozenten für mich oder unseren Lebensunterhalt oder dein Auto aus.“ Sie wies auf die Utensilien auf dem Nachttisch. „Was weiß ich – vielleicht gibst du all dein Geld für Koks aus. Ist mir auch egal. Jetzt ist auf jeden Fall Schluss mit der Schnorrertour.“

„Du hast mit dem süßen Leben kein Problem.“

Retts Lippen wurden schmal. Ihre Stimme nahm ihre dunkelste Färbung an. „Ich bin diejenige mit dem dreioktavigen Stimmumfang und dem vollkommenen Gedächtnis. Ich bin diejenige, die die eigentliche Arbeit leistet und somit für das Einkommen sorgt. Ich bin diejenige, die jeden Tag zwei Stunden probt. Ich habe es satt, dass du mir für alles und jedes die Schuld in die Schuhe schiebst. Ich bin nicht Schuld an deiner Arroganz. Ich habe nur einen Fehler gemacht – ich habe das alles viel zu lange so laufen lassen.“

Trish fuhr sich mit der Hand anmutig durch ihr kurzes dunkles Haar. Sie sah Rett mit halb verschleierten Augen an und schwieg. Rett spürte die Pheromone wieder aufwallen. Ihr Körper erinnerte sie daran, wie sehr sie sich auf Trish gefreut hatte. Trish in sich zu spüren, ihren eigenen Mund an die Stellen zu führen, die Trish erbeben lassen würden … Es wäre so einfach, der Versuchung nachzugeben.

Ich bin nicht meine Mutter. Ich werde ihre Fehler nicht wiederholen. Rett stand stocksteif da, voller Furcht, jede noch so kleine Bewegung könnte ihr unwillentliches Begehren verraten. Der Rest ihres Lebens war wichtiger als ein Quickie. Oder warum arbeitete sie sonst so hart für ihre Karriere?

Als die Stille unerträglich wurde, zerrte Rett einen von Trishs Koffern aus dem Schrank. Natürlich würde nicht alles hineinpassen, aber es ging auch mehr um die Geste. Sie packte Polo-Hemden, Unterwäsche, Chinos hinein, legte Trishs Zahnbürste obenauf, zog den Reißverschluss zu und durchquerte den Raum, um Trish den Koffer in die Hand zu drücken.

Trish starrte ihn an, als wäre er eine Schlange. „Das meinst du doch nicht im Ernst!“

„Doch.“

Trish reagierte so schnell, dass Rett nur einen erschrockenen Schrei ausstoßen konnte. Sie schlug Rett den Koffer aus der Hand, schnappte sie sich und schlang die Arme um sie.

Rett legte den Kopf zurück, um Trish in die Augen sehen zu können. „Ist das jetzt die Stelle, wo du mich überwältigst und ich dahinschmelze und dir alles verzeihe? Dafür bist du nicht machohaft genug“, sagte sie so verächtlich sie konnte. Sie wusste, dass Trish spürte, wie sie zitterte. Sie war noch immer wütend, und nun drohte die Elektrizität von Trishs Berührung den Zorn in Lust zu verwandeln.

Trish sah mit einem Ausdruck auf sie herab, den Rett nicht zu deuten wusste. War es Verachtung? Empfand Trish tatsächlich so wenig für sie? Hatte sie die ganze Zeit über Verachtung für Liebe gehalten?

Einige Herzschläge lang hielt Trish sie nur fest umschlungen. Dann schickte sie sich an, Rett zu küssen. Rett drehte den Kopf weg. Sie versuchte, sich nicht auf Trishs Neandertaler-Nummer einzulassen, indem sie sich wehrte.

„Lass mich los! Das ist doch lächerlich.“

„Was fällt dir ein, mich rauszuwerfen?“ Rett sah Trish in die Augen. Was sie dort las, konnte sie nicht einordnen. In dem Moment stieß Trish sie so heftig gegen die Wand, dass Rett Sterne sah. Als die Sterne allmählich verschwanden, gab Trish ihr eine kräftige Ohrfeige.

In dem Augenblick war Rett wieder sechzehn und erlebte, wie irgendein Kerl ihre Mutter ins Gesicht schlug. Ich werde nicht das Opfer geben. Ich bin nicht meine Muter.

Ihr geballter Zorn kochte über. Sie tat, was zu tun sie gelernt hatte, als die Kinder sie hänselten, weil ihre Mutter eine Säuferin war und sie keine Ahnung hatte, wer ihr Vater sein mochte. Als die anderen sie ausschlossen, weil sie immer nur Kleider aus zweiter Hand trug. Weil sie sich nicht für Jungen und Alkohol interessierte. Als sie sie beschimpften, weil sie trotz ihrer abgetragenen Kleider und mit einer Schlampe als Mutter und ihrer Abneigung gegen Jungen und Alkohol die Nationalhymne singen und das Publikum mit dem Wort free ganz ohne Mikrofon in Begeisterung versetzen konnte. Sie packt Trish beim Schopf und stieß sie mit dem Gesicht an die Wand – so heftig, dass sie mindestens eine Beule zurückbehalten würde.

„Wenn du mich noch einmal anfasst, brauchst du einen Termin beim plastischen Chirurgen. Was hast du dir gedacht? Dass ich zusammenbreche und heule und dich anflehe, mir zu vergeben? Ich lass mich von niemandem zum Opfer machen. Das funktioniert nicht mehr.“

„Lass mich los!“

Rett ließ sie gehen und stolperte einige Schritte zurück. Ihre Gesichtsfeldeinschränkung ließ nach, ebenso wie der Adrenalinschub.

Sie legte die Hand an ihr Gesicht. Ihre Hand zitterte.

Auch Trish hatte die Hand an ihr Gesicht erhoben. „Ich kenne dich – ich kenne dich gut. Na schön, du kannst also singen. Du bist und bleibst dennoch ein Stück Dreck. Und weil das alle wissen, bekommst du keine großen Auftritte.“

„Du schlägst mich, und ich bin ein Stück Dreck?“

Sie sah, wie Trish heftig schluckte. „Es tut mir leid. Ich … ich hab die Beherrschung verloren. Ich hätte Naomi eine runterhauen sollen.“

„Als ob das ihre Schuld wäre. Als ob Schläge irgendwas bereinigen könnten. Naomi war schon fast soweit, sich von mir abzuwenden, weißt du das? Dass du meinen Ruf zerstört hast, war mehr, als sie mitansehen mochte.“

„Tja, auf mich hörst du ja auch nie. Vier Jahre, und das ist nun der Dank.“

Rett fühlte sich schuldbewusst. Dann besann sie sich. Wie machte Trish das bloß? Trish hatte sie geschlagen und gedemütigt und dennoch bekam sie es hin, dass Rett sich schuldig fühlte. „Du liebst mich nicht. Ich liebe dich nicht. Was soll das also noch? Was könntest du schon noch sagen, um dem Ganzen eine Wendung zu geben?“

„Wart’s ab. Den Rest meiner Sachen hole ich in den nächsten Tagen.“ Trish schnappte sich den Koffer.

Rett folgte ihr zur Tür. Aus welchem Grund auch immer. Für einen zärtlichen Abschied nach dieser gewalttätigen Auseinandersetzung? Oder um sich zu vergewissern, dass Trish auch wirklich ging?

Auf der Türschwelle drehte Trish sich noch einmal um. „Übrigens – wenn du glaubst, dass das Liebe war, das zwischen uns, dann irrst du dich gewaltig.“

„Wenn es nicht zumindest am Anfang Liebe gewesen ist, was war es dann?“

„Ein Mittel zum Zweck. Schließlich war es doch ziemlich erbärmlich.“