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FRAUEN IM SINN

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Verlag Krug & Schadenberg

Literatur deutschsprachiger und internationaler
Autorinnen (zeitgenössische Romane, Kriminalromane,
historische Romane, Erzählungen)

Sachbücher und Ratgeber zu allen Themen
rund um das lesbische Leben

Bitte besuchen Sie uns: www.krugschadenberg.de

Jette Löven

Der Sommer ihres Lebens

und andere erotische Liebesgeschichten

K+S digital

Inhalt

Der Sommer meines Lebens

Ich will

Ein perfekter Anfang

Imke und ich

Orchideenhaus

Wasserspiele

Vernascht

Bordunterhaltung

Freundinnen

Vorspiel

Freitag, der Dreizehnte

Violetta

Not My First Love

Bette Davis Eyes

Last Minute

Der Sommer meines Lebens

Es war der Sommer 1994.

Damals wusste ich es noch nicht, aber es würde der beste Sommer meines Lebens werden. Britpop spielte in allen Radios, und wir glaubten, ebenso rebellisch sein zu können wie unsere Eltern, als die Beatles jung waren. Vom Fußballfieber befallen, bejubelten wir unsere Nationalmannschaft, die das Viertelfinale erreicht hatte. Beverly Hills 90210 brachte eine neue Welt in unsere Zimmer, und wir übten Janet Jacksons Tanzschritte vor dem Spiegel. Wir waren sechzehn und durften Alkohol kaufen. Die Tage waren lang, strahlend und voller Verheißungen.

Esther und ich verbrachten die Sommerferien im Haus ihrer Mutter. Sie war auf einem Dreh im Ausland, und wir passten auf das große Haus auf, das so eingerichtet war, wie es von einer gefragten jungen Fernsehschauspielerin zu erwarten war, die ein Kind und keinen eigenen Geschmack hatte: Die modische Eleganz kam direkt aus dem Katalog und war stets präsentierbar für den Fall, dass ein Magazin wegen einer Home-Story anfragte.

Esthers Mutter war selten daheim, deshalb übernachtete ich oft bei ihr. So oft, dass ich mich blind zurechtfand und das Haus sich fast wie ein zweites Zuhause anfühlte. Bei Esther taten wir alles, was normalerweise verboten war, zumindest bei meinen Eltern. Es war eine andere Welt.

Der Juli war heiß, und wir waren faul. In weniger als zwei Tagen hatten wir das Bilderbuchhaus auf den Kopf gestellt. Am Abend probierten wir die Pumps von Esthers Mutter an – extravagante, teure Stilettos, wie ich sie nur aus dem Fernsehen kannte. Nachdem wir mit jedem Paar vor dem riesigen verspiegelten Kleiderschrank auf und ab gestöckelt waren, schlug Esther vor, ihr Make-up auszuprobieren.

»Meine Mutter hat so ein Set von Helena Rubinstein bekommen – zum Testen. Weil sie es doch bei ihrer Serie verwenden und sie vielleicht Werbung dafür macht.«

Ich streifte ein Paar knallrote Lackstiefeletten von meinen Füßen und rieb mir die Knöchel. Auf weitere Versuche, das glamouröse Leben zu kopieren, hatte ich eigentlich keine Lust. Wenn es nach mir gegangen wäre, würden wir uns aufs Sofa fläzen und fernsehen. »Hm-hm«, sagte ich und ließ mich rücklings aufs Bett fallen.

»Kitty, komm schon – das wird lustig!« Esther griff nach einem der Parfumfläschchen auf dem Schminktisch ihrer Mutter und spritzte etwas in die Luft, das wie Weihnachten in einem orientalischen Basar roch. »Wir toupieren uns die Haare – wie in den Sechzigern! Oder wir drehen sie auf und machen uns Hollywood-Wellen.«

»Ich hab schon Locken«, wandte ich ein, aber sie lief ins Badezimmer und kam mit einer bunt bedruckten Kiste zurück.

»Richtige Locken!«, sagte sie mit Nachdruck. Sie nahm einige Lockenwickler heraus. Ich bezweifelte, dass sie in meinem schulterlangen Haar halten würden, aber Esther ließ nicht locker. Wenig später sahen wir aus wie Vorstadt-Hausfrauen, die sich ausgehfein machen.

»Wie lange müssen sie drinbleiben?«, fragte ich. Ich hasste die kratzigen Dinger, die an meiner Kopfhaut zogen, jetzt schon.

»Bis die Haare trocken sind.« Esther fixierte die Wickler mit etwas Haarspray. Der Geruch gab mir das Gefühl, frisch vom Friseur zu kommen. Ich betrachtete Esthers Gesicht im Spiegel. Mein Spiegelbild sah genau nach dem aus, was es war: das Abbild einer Sechzehnjährigen, die mit Lippenstift, Lidschatten und Lockenwicklern experimentierte. Esther hingegen sah verführerisch aus. Sie war sowieso wunderschön, und das blassrosa Lipgloss und die dicke Mascara, die ihre Augen noch größer erscheinen ließ, verstärkten das Strahlen, um das ich sie immer schon beneidet hatte.

»Du siehst toll aus!«, sagte ich.

Sie legte den Kopf schief und grinste. »Wir sind zwei heiße Mädels«, sagte sie, drückte mich kurz und schickte einen Luftkuss in Richtung Spiegel. »Komm. Wir bestellen uns Pizza und schauen, was im Fernsehen kommt.«

»Bring Wein mit«, sagte Esther und warf mir einen spitzbübischen Blick zu, bevor sie zur Tür lief, um dem Pizzaboten zu öffnen. Ich wählte eine Flasche Weißwein, auf deren Etikett ein goldenes Schloss gezeichnet war. Es sah hübsch aus, aber ich hatte keine Ahnung, ob es Wein war, den man im Supermarkt kaufen konnte, oder ein teures Geschenk, das Esthers Mutter von einem Bewunderer bekommen hatte. Ich öffnete die Flasche trotzdem. Esthers Mutter war das wahrscheinlich ohnehin egal.

»Ist dir auch so heiß?«, fragte Esther und pickte die Salami vom letzten Stück Pizza. Ich warf einen flüchtigen Blick auf ihre geröteten Wangen und nickte. Sie öffnete die Flügeltüren, die zum Garten führten, und obwohl die Luft, die nun hereinströmte, lauwarm war, fühlte sie sich an wie eine frische Brise. Nur ein halbes Glas Wein, und ich war benebelt. An die offene Tür gelehnt, beobachtete Esther, wie ich durch die Sender zappte.

»Stopp! Lass das mal!«, befahl sie, als der Vorspann eines Thrillers auf dem Bildschirm erschien.

Ich weiß nicht mehr, wovon der Film handelte, ich weiß nur noch, dass sein Schrecken sich über Gesten, Blicke und Musik verbreitete, nicht durch spritzendes Blut.

»Mach aus! Mach aus!«, kreischte Esther, als ein tiefschwarzer Schatten aus dem Nichts auf der Bildfläche erschien. Ich drückte den Knopf, und das Wohnzimmer versank im Dunkeln. »Ich verlasse diesen Sessel nie wieder«, sagte Esther und zog ihre Knie bis zum Kinn. Unsere Blicke wanderten zur halb geöffneten Gartentür.

»Schere, Stein, Papier?«, schlug ich vor – und verlor. Ich stand auf und schloss die Gartentür. Als ich zurückkam, hatte Esther sich auf meinem Platz auf dem Sofa zusammengerollt.

Ich zog eine Augenbraue hoch. »Und ich dachte, du wolltest den Rest deines Lebens in dem Sessel da verbringen.«

»Haha.« Sie zog eine Grimasse. »Du hast doch auch Schiss.«

»Wenigstens hab ich die Tür zugemacht.«

»Weil du verloren hast!«

»Angsthase.«

»Selber.«

Ich lachte. »Du traust dich ja nicht mal, allein da drüben zu sitzen!«

»Dein Schatten sah von da echt gruselig aus.«

Ich drehte mich um und erhaschte einen Blick auf meinen Schatten. Der Umriss meines Kopfes sah verzerrt aus auf der nackten Wand, und durch die Lockenwickler erschien er drei Mal so groß. »Hast recht.«

»Ich kann jetzt unmöglich ins Bett gehen«, jammerte Esther. »Suchst du uns ein Video heraus?«

Ich verdrehte die Augen, aber ich ging zum Regal und ließ den Blick über die gekauften Kassetten schweifen und über die, die Esther selbst aufgenommen hatte, alle beschriftet mit ihrer schnörkeligen Handschrift. »Dirty Dancing?«, schlug ich vor.

Esther schnaubte. »Nicht schon wieder.«

»Was ist das hier? Kylie Minogue?« Ich zog eine Kassette heraus, auf der The Delinquents stand.

»Sie spielt ein Mädchen in einer Kleinstadt in den Fünfzigern, die sich in einen Typ verliebt, aber ihre Eltern verbieten ihnen, zusammen zu sein, weil sie minderjährig sind. Der Film ist gut – können wir gucken.«

Ich liebte Lola, das Mädchen, das Kylie Minogue spielte, sofort. Sie war etwa in meinem Alter, aber sie wusste, was sie wollte, und brach alle Regeln, um es zu bekommen. Ich wünschte mir, so unabhängig zu sein. Ich wünschte mir, eine so große Liebe zu finden und gleichzeitig glücklich und schwermütig zu sein.

»Ich frage mich, ob das wahr ist«, überlegte Esther, die Augen auf den Fernseher gerichtet. Lola und Brownie, ihr Freund, lagen nebeneinander im Bett. »Ob Sex wirklich so toll ist.«

Ich zuckte die Schultern. »Keine Ahnung. Aber als Julian mir unters T-Shirt gegangen ist, hat es sich ziemlich komisch angefühlt.«

Esther schnalzte mit der Zunge. »Weil Julian ein Blödmann ist.« Ich kicherte. »Aber es kann nicht immer so sein«, sagte sie dann, fast trotzig. »Ich hab’s mal bei meiner Mutter gesehen.«

Meine Augen wurden größer. »Du hast deine Mutter dabei erwischt?«

»Das darfst du niemandem erzählen!«

Ich schüttelte den Kopf. »Ehrenwort!«

»Es war mit einem der Kameramänner.«

»Hat sie sich nicht aufgeregt?«

»Ich glaube nicht, dass sie mich gesehen hat. Ich bin sofort wieder rausgegangen. Und sie waren zu beschäftigt … Also, meine Mutter hatte die Augen verbunden, und er war … er machte rum.«

»Die Augen verbunden?«, flüsterte ich mit angehaltenem Atem. »Und was hat er gemacht?«

Esther schwieg für einen Moment. »Er hatte seinen Kopf zwischen … zwischen ihren Brüsten, und er hat sie geküsst und an ihnen geleckt und … du weißt schon. Was Typen eben so machen.«

»Keine Ahnung, warum die so fixiert sind. Was haben die nur mit Brüsten?«

Esther heftete den Blick auf den Bildschirm und zuckte die Schultern. »Keine Ahnung. Muss sich gut anfühlen, schätze ich.«

»Vielleicht«, sagte ich und folgte ihrem Blick. Doch plötzlich drehte sie den Kopf und starrte mich an.

»Willst du’s mal probieren?«, fragte sie.

Hitze schoss mir in den Bauch. Ich wusste sofort, was sie meinte. Dennoch schien der Vorschlag zu absurd. Und überhaupt – was müsste ich tun? Was, wenn ich alles falsch machte? Was, wenn es peinlich wäre? Ich hielt meine Augen stur auf den Fernseher gerichtet. »Was probieren?«

Sie legte den Kopf schief, antwortete aber nicht auf meine Frage. »Um zu sehen, ob es sich gut anfühlt«, sagte sie leichthin.

Meine Handflächen wurden feucht. »Wie … bist du … Meinst du das ernst?« Ich wusste, es war ihr Ernst. Ich wusste immer, wenn Esther etwas ernst war.

Sie wandte den Blick ab und spielte mit dem Band ihrer Pyjamahosen. »Nur um es herauszufinden … Wir könnten probieren, wie es sich anfühlt.«

Ich schluckte und schaute auf ihr Pretty-Woman-T-Shirt, so oft gewaschen, dass die Buchstaben darauf kaum mehr sichtbar waren. Klar war ich neugierig. Aber meine Furcht übertraf meine Neugier bei Weitem. Ich sah zurück auf den Bildschirm. Nie im Leben hätte ich mir vorstellen können, so etwas mit einem Mann zu tun. Das Einzige, was ich nachfühlen konnte, war die Unbeholfenheit, mit der Brownie Lola auszog. Aber Esther … Wir kannten uns seit unserer Kindheit. Sie war immer meine beste Freundin gewesen, ich vertraute ihr, egal was passierte. Trotzdem –

»Glaubst du nicht, dass es komisch wäre?«, fragte ich.

Sie strich über das Sofapolster. »Nein«, sagte sie, und obwohl ihre Stimme gedämpft klang, war kein Zweifel darin zu hören. Ihre Zuversicht färbte auf mich ab und vertrieb meine Bedenken.

»Okay.«

Esther hob den Kopf. »Ja?«

Ich nickte. Einen Moment sahen wir uns an, wie Bergsteigerinnen, die sich vor dem Aufstieg eines nicht erforschten unwegsamen Gebirges stählten. Feierlicher Ernst lag auf Esthers Gesicht. »Auf drei?«, fragte sie, und ich nickte erneut.

Wir zählten, und bei drei zogen wir unsere Shirts über die Köpfe.

Ich hatte ihre Brüste schon mal gesehen – während wir BHs anprobierten, kichernd und die andere aufziehend, bis eine genervte Verkäuferin uns aufforderte, nicht so einen Lärm in der Kabine zu machen. Diesmal war es anders. Nicht der flüchtige Blick, den man anderen Mädchen in der Umkleide zuwirft, um festzustellen, ob ihr Busen besser aussieht als der eigene. Ob er größer ist. Schöner geformt. Überhaupt hübscher.

Diesmal nahm ich alles an ihr auf. Bevor ich mir auch nur vorstellen konnte, ihre Brüste tatsächlich mit den Fingern zu berühren – sie mit den Lippen oder gar meiner Zunge zu ertasten, daran wagte ich kaum zu denken –, erforschte ich sie mit den Augen.

Sie waren wie zwei Hälften eines kleinen Apfels, niedlich und ein wenig ungleichmäßig. Das bläuliche Licht des Fernsehers ließ ihre Haut noch blasser erscheinen, als sie ohnehin schon war. Ihre Brustwarzen waren winzig und pink.

Ich war so in ihrem Anblick verloren, dass ihre plötzliche Berührung mich hochfahren ließ. Ihre Hände waren kalt. Sie waren immer kalt. Dann, als meine Brüste sich unter der Berührung zusammenzogen, beugte sie sich vor und ließ ihre Zunge zaghaft darüberfahren.

Alle Gedanken waren in diesem Moment aus meinem Kopf gefegt, alle Zweifel weggeblasen – es war kein Raum mehr für Verwirrung außer der, die Esthers Berührung auslöste. Ich fühlte mich, als würden tausend kleine Flammen an mir züngeln. Sie zwickten und piesackten mich und wanderten meinen gesamten Körper hinauf, wie irrlichternde Glühwürmchen, bis zum Hals, den sie zusammenschnürten. Doch dann drückte Esther ihre Lippen auf meine eine Brust und begann an ihr zu saugen, und ich atmete aus, keuchte meine Überwältigung heraus, und die Spannung wich einer süßen, federleichten Wärme. Ich bestand plötzlich aus nichts als Nerven, Zellen, die vibrierten und tanzten und die Seligkeit bis in die entlegensten Winkel meines Körpers weitertrugen. Es gab nur Esthers Zunge und ihren warmen Atem, der über meine Haut strich, als liebkose ihr Mund meinen ganzen Körper. Ich wurde eine winzige Kreatur, hinweggespült von ihren Lippen.

Trotzdem wollte ich mehr. Jede Berührung ihrer Zunge war die Offenbarung eines unbekannten Sehnens, von dem ich bis zu diesem Moment nichts geahnt hatte. Hohl kroch es meinen Bauch hinauf: Was, wenn sie es mir nicht würde erfüllen können? Jeder Kuss, jedes Streichen ihrer Zunge vergrößerte mein Verlangen, sie an mich zu reißen, ihren Kopf stärker an mich, an meinen Körper zu pressen.

Esther sah mich nicht an, sie gab keinen Laut von sich, aber ihre Zunge wurde forscher, ihr Mund hungriger. Ihre Lippen tasteten sich über meinen Körper, bedeckten mich mit Küssen, wanderten zu meinem Nabel, ohne ein Stück Haut auszulassen. Ihre Nasenspitze kitzelte meinen Bauch, und als sie ihre Hand fest um meine Hüfte legte, fühlte sie sich kühler an als je zuvor. Vielleicht war sie so kühl wie immer und es war mein Körper, der wie im Fieber glühte.

Esther sog die Überwältigung, die sie in mir auslöste, in sich auf. Je weniger ich mich beherrschte, desto hingebungsvoller gewährte sie mir ihre Zärtlichkeiten. Ich schmiegte mich in die Sofakissen und vergaß all meine Zweifel und Fragen, vergaß selbst die Lockenwickler, die sich in meine geschundene Kopfhaut bohrten. Als ich hinunter auf meine Brüste spähte, stellte ich überrascht fest, dass sie wunderschön waren. Ich war nie besonders zufrieden mit ihnen gewesen. Sie waren nicht geformt, wie sie sollten, wie ich sie mir gewünscht hätte. Aber als Esther sie so zärtlich verwöhnte, verwandelten sie sich in anmutige Kurven, wie rundbäuchige Perlen. Ihre Spitzen reckten sich zu Esthers Lippen, zitternd um Aufmerksamkeit heischend.

Schließlich setzte Esther sich auf, der Blick in ihren Augen wild. »Zeig mir, wie es sich anfühlt.«

Sanft drückte ich sie in die Kissen. Sie streckte die Arme über den Kopf, und im kalten Licht des Fernsehers schimmerte ihr Körper wie der einer Porzellanpuppe. Es war der schönste Anblick, den ich je gesehen hatte. Das ovale Grübchen ihres Bauchnabels, die leicht gestreckten Brüste, die dunklen Spitzen, von vielen winzigen Fältchen zusammengezogen … So stark mein Verlangen auch war, sie zu berühren – ich hätte Stunden damit zubringen können, sie einfach nur zu betrachten.

Der Ausdruck in Esthers Augen – verlegen, dunkel, erregt, vertrauensvoll – verscheuchte schließlich, was auch immer mich noch hemmen mochte. Esther hakte ihre Finger ineinander und reckte mir ihre Brüste entgegen. Ich musste an Verzierungen auf Geburtstagstorten denken, Kuchen, der unerwartet zum Geschenk gemacht wurde und mich verführte, an der süßen, schmelzenden Creme zu lecken, vielleicht eine der tiefrosafarbenen Beeren zu stibitzen, oder zwei … Mein Mund füllte sich mit Vorfreude und Verlangen.

Ich zog eine Spur aus Küssen zwischen ihren Brüsten. Wie beim Geburtstagskuchen: Ich würde das Beste bis zum Schluss aufheben.

Doch Esther stupste ihre Brüste gegen meine Wange. Ein Seufzer entfuhr ihr, als die kugelige Spitze meine Haut streifte. Helles Glücksgefühl durchzuckte mich bei dem Gedanken, was ich alles tun konnte, wenn ich den Kopf nur ein wenig drehte, meine Lippen um die Knospe schloss, sie zwischen meine Lippen sog. Esthers Liebkosungen hallten noch tief in mir nach; bald würde es meine Zärtlichkeit sein, die sie schweben ließ.

Ich umschloss ihre eine Brust mit der flachen Hand und legte mein Kinn auf ihren Bauch. Mit der Fingerspitze zog ich immer kleinere Kreise auf ihrer nackten Brust. Ich malte die dunkle Haut nach, bis Esthers flacher, getriebener Atem sich zu einem ungeduldigen Wimmern erhob. Ich spitzte die Lippen und küsste die Unterseite ihrer Brust, wartete ihr entzücktes Stöhnen ab und küsste sie wieder. Meine Nase streifte die pudrige, faltige Haut, und ich rieb mich an ihr, zögerte den Moment hinaus, dann küsste ich sie. Mit einem scharfen Zug zwischen zusammengepressten Zähnen sog Esther den Atem ein.

»Wie wundervoll!«, brach es aus ihr hervor, als meine Zungenspitze sie berührte. »O Kitty, wie wundervoll!«

Ich presste meine Lippen hungrig auf ihre Haut, nahm so viel in mich auf, wie ich konnte, und betrachtete ihre Brüste, schimmernd von meinen Küssen, bevor ich mich wieder herabbeugte. Warum war er mir so sonderbar vorgekommen, der Gedanke, an ihnen zu saugen, beinahe schon lächerlich abwegig? Nun war es alles, was ich tun wollte, alles, was mir richtig und natürlich erschien. Ich umschloss den harten Knubbel mit den Lippen und sog ihn sanft in meinen Mund. Esther stieß ein spitzes Stöhnen aus. Ihre Knöchel stachen weiß hervor, als sie ihre Finger in die Polster vergrub.

Ich küsste ihre sahnige Haut und ihre verführerischen Brüste, reif, von mir in Besitz genommen zu werden, wieder und wieder – selig wie Lola, die auf dem Bildschirm durch die Abendsonne wirbelte.

Ich wusste nicht mehr, wie lange ich sie geliebt hatte. Es hätten Stunden sein können oder auch nur ein paar verzauberte Minuten. Alles, was ich wusste, war, dass es nicht lange genug gewesen war. Bei dem Versuch, mich enger an sich zu ziehen, presste Esther ihre Hand in meinen Nacken. Das jähe Stechen eines Lockenwicklers, den sie in meine Kopfhaut drückte, holte mich auf den Boden zurück. Ich wandte den Kopf, um dem Druck ihrer Hand auszuweichen, und kratzte ihre empfindsame Haut mit einem Wickler, der sich löste.

»Autsch!«, zischte sie und bedeckte ihre Brust.

Wir sahen uns an, und mich durchzuckte der Gedanke, dass wir normalerweise darüber gekichert hätten. Nun lachte keine von uns. Es brachte mich vielmehr den Tränen nahe. Ich zog mich zurück und merkte, dass ich fror.

Esther stützte sich auf die Ellbogen. »Vielleicht sollten wir schlafen gehen.«

So still wie sie griff ich nach meinem Pyjamaoberteil. Wir sagten kein Wort, während wir die Treppe hochstiegen, und ohne sie noch mal anzusehen, verschwand ich im Bad.

Ich nahm die Lockenwickler aus meinem Haar und betrachtete meine Frisur im Spiegel. Glänzende Locken fielen mir weich auf die Schultern. Es gefiel mir, wie sie mein Gesicht umspielten, so elegant, dass ich mich fast erwachsen fühlte. Als ich mein Spiegelbild betrachtete – meine Wangen sanft gerötet, ein Schimmern in den Augen, das ich nie zuvor darin gesehen hatte –, wusste ich, dass sich mir an diesem Abend die Frau enthüllt hatte, die ich immer schon gewesen war und für den Rest meines Lebens sein würde.

Einige Minuten später, als ich auf dem Schlafsofa lag, das in Esthers Zimmer stand, war das betörende erwachsene Gefühl verschwunden. Ich fühlte mich hilflos, aufgewühlt und hatte keine Ahnung, wie wir uns am nächsten Morgen verhalten sollten.

Und mehr noch fühlte es sich an, als hätten wir etwas begonnen, ohne es zu beenden.

Ich wusste, dass Esther nicht schlief. Es machte mich verrückt, nicht zu wissen, ob die gleichen verwirrenden Gedanken auch sie wachhielten – oder Gefühle von Scham und Verachtung.

»Kitty?«, brach sie schließlich das Schweigen.

»Hm?«

»Ich muss immer an den Film denken.«

Ich stützte den Kopf auf. »Welchen?«

»Den Horrorfilm. Glaubst du, das kleine Mädchen auf dem Dachboden hat überlebt?«

»Klar.«

Ihre Bettdecke raschelte. »Glaub ich auch.«

Einige Momente lang hörte ich nichts außer einem herannahenden Auto, das auf der Straße vor dem Haus geparkt wurde, und dem gurrenden Ruf eines Nachtvogels im Garten.

»Kitty?«, fragte sie wieder.

»Ja.«

Sie sagte nichts. Ich lag ganz still und hielt den Atem an.

»Kann ich bei dir schlafen?«, fragte sie endlich.

Ich wagte nicht zu atmen. »Ja«, brachte ich schließlich heraus. Ich lauschte auf das Tappen ihrer Füße, als sie zu mir herüberkam. Sie schlüpfte unter meine Decke, und es wurde augenblicklich wärmer.

»Danke.«

Ich antwortete nicht.

»Denkst du –«

»Hör endlich mit dem Film auf!«, unterbrach ich sie, aufgebrachter, als es fair war.

Sie wandte sich mir zu. Ich konnte ihren Blick auf meinem Gesicht spüren. »Das meinte ich nicht. Ich meine … denkst du noch hier dran?« Sie legte ihre Hand auf meine Brust.

Ich schluckte. Die Hitze war zurück – tief in meinem Bauch flackerte sie auf.

»Kitty?«

Ich leckte über meine trockenen Lippen und brachte ein Krächzen hervor. Sie kannte mich gut genug, um es als Ja zu deuten.

»Ich auch.« Sie wandte ihr Gesicht wieder der Zimmerdecke zu, aber ihre Hand blieb, wo sie war. »Ich hätte nie gedacht, dass man so etwas empfinden kann.«

Es drängte mich, etwas Bedeutsames zu sagen, etwas, das Esther bewog, ihre Hand zu lassen, wo sie war – oder besser noch, sie unter mein T-Shirt zu schieben. Etwas, das nicht kitschig klänge, wenn wir am nächsten Morgen daran zurückdachten. Aber ich war wie die kleine Meerjungfrau aus dem Märchen: Mein Wunsch hatte sich erfüllt, aber meine Stimme hatte ich dabei verloren. Wenn ich sie zurückforderte, würde ich dafür die Wunscherfüllung verlieren?

»Würdest du … willst du es noch mal machen?«, fragte Esther.

Glück rauschte durch meine Adern. Ich musste nicht groß darüber nachdenken. Aber – was dann? Wo würde es hinführen? Wären wir noch Freundinnen nach dieser Nacht? Neben mir spannte Esthers Körper sich an. Ich begriff, wie viel es sie gekostet hatte, mich das zu fragen. Und wie dankbar war ich, dass sie es getan hatte.

»Ja.«

Esther entspannte sich und ich mich mit ihr. Sie setzte sich auf und zog sich ihr T-Shirt über den Kopf. Das schwache Licht, das von außen hereinschien, umgab sie mit einem Leuchten, und sie wurde zum einzigen Fixpunkt in der Dunkelheit.

Ich schlüpfte aus meinem Pyjama-Top. Kurz überlegte ich, das Licht anzumachen. Aber dann tastete ihre Hand nach mir und fand meine Brust, und die Spannung, nicht zu wissen, wo sie hinwandern würde, was sie als Nächstes tun würde, wo ihre Hände mich streicheln, wo ihre Lippen mich küssen würden – war zu erregend.

Jede Berührung ihrer geschmeidigen Finger, jedes zärtliche Zwicken meiner aufgerichteten Brüste schoss mir direkt zwischen die Beine. Der feine Haarsprayduft stieg mir in die Nase, während Esthers seidige Strähnen meine Haut kitzelten. Einen Wimpernschlag später trafen ihre Lippen meine Haut. Ich warf den Kopf in den Nacken. Sie saugte an meinen Brüsten, mit so viel Hingabe, dass das Pochen meines Pulses zwischen meinen Schenkeln immer unerträglicher wurde. Ich rieb meine Oberschenkel aneinander.

»Kitty?«

Ich antwortete nicht, keuchte stattdessen, um ihr zu signalisieren, dass sie meine volle Aufmerksamkeit hatte.

»Darf ich dich küssen?«

Ich reichte in die Dunkelheit und strich ihr eine Haarsträhne hinters Ohr. Meine Finger fuhren über ihren Rücken. Mein Ja war eher ein Hauchen als ein Wort, aber es genügte Esther.